Der aktuelle Fall:
Fehlerhafter Zahnersatz mit Folgen
Heute wird gerne und oft Zahnersatz aus keramischen Materialien hergestellt. Dies hat mehrere Gründe – eine Hauptursache ist die gute Ästhetik (Patienten lieben „weißen Zähne“), eine weitere der derzeit sehr hohe Goldpreis, der Restaurationen aus Edelmetall als Luxus erscheinen lässt.
Bei der Eingliederung von Keramik-Prothetik wird es, bei aller Sorgfalt, immer noch häufig zur Notwendigkeit einer direkten Korrektur im Mund kommen. Hier könnte man zweifellos über Gründe diskutieren, aber, nehmen wir das einfach mal als Faktum an. Dann muss die eingeschliffene keramische Restauration wieder ins Labor um dort wieder ein Oberflächenfinish zu erhalten. Alternativ werden von der Industrie Polierer angeboten, die eine direkte Nachbearbeitung am Stuhl ermöglichen sollen. Wenn wir realistisch sind, die notwendige Neubearbeitung der Okklusalflächen wird nicht selten nicht oder nur ungenügend ausgeführt. Auch dazu könnte man trefflich diskutieren, aber, nehmen wir eben auch an dieser Stelle an es gäbe nach Eingliederung noch raue Oberflächen.
Damit haben wir jetzt ein Problem: der Antagonist wird durch aufgeraute Okklusalflächen sehr beansprucht. Ist das eine natürliche Zahn Oberfläche, so wird eine übermäßige Abrasion die Folge sein, ist es Keramik, so schleift sich das sowieso ein, ist es aber eine Goldoberfläche, dann kommt es zu übermäßiger Beanspruchung mit der ebenfalls nicht seltenen Folge dass die Krone perforiert wird. Gold ist ja deshalb so ideal, weil sich alle Restaurationen rasch „einbeißen“.
Aber auch Einschleifkorrekturen an Restaurationen können zu einer iatrogenen Perforation führen.
Eine perforierte Restauration muss unmittelbar korrigiert werden. Solche Defekte führen unweigerlich zur Sekundärkaries, die unter einer Restauration besonders gefährlich ist. Keramische Restaurationen sind davon wohl kaum betroffen, es sind Metallrekonstruktionen, die hier zu besprechen sind. Keramik wird brechen, wenn sie perforiert wird, Metall hingegen hält.
Die okklusale Perforation
Metall kann nur richtig zusammengefügt werden wenn es erhitzt wird (Löten, Schweißen). Aus diesem Grund sollte die Restauration abgenommen, repariert und dann neu eingegliedert werden.
Dies ist manchmal nicht so einfach. Ist die Rekonstruktion richtig gut zementiert bekommt man sie kaum noch unbeschädigt abgenommen. Dann droht die Zerstörung durch die Abnahme. Daraus folgt dann die Notwendigkeit zur Neuanfertigung – ohne Beratung und Einverständnis des Patienten geht das nicht. Bei den heutigen Kosten wird ein Patient da zögern dieser Vorgehensweise zuzustimmen und nach Alternativen fragen. Hier ist wahrheitsgemäß zu informieren: die optimale Vorgehensweise wäre die Abnahme, jedoch kann man auch andere Möglichkeiten diskutieren. Diese beinhalten regelmäßig die sorgfältige Kontrolle der Zahn Substanz unterhalb der festgestellten Perforation, ggflls Excavieren infizierten Zahnmaterials und Versorgung der Dentinwunde.
Für einen Verschluss einer Metallrestauration in situ bieten sich zwei Möglichkeiten an:
- Anfertigung eines okklusalen Verschlussinlays
- Goldhämmerfüllung
Suboptimal und lediglich als temporäre Lösung wäre der Verschluss durch eine plastische Füllung zu sehen. Der Grund: eine wirklich bakteriendichte Adaption des Füllungsmaterials an z.B. Goldoberflächen (die an der zu reparierenden Stelle auch noch sehr dünn ausfallen) scheint nach aktuellem Kenntnisstand ausgeschlossen. Verbindungen Metall/Kunststoff können mit speziellen Adhäsiven zwar prinzipiell möglich sein, dazu benötigt man jedoch größere Klebeflächen und, dies scheint besonders wichtig, man müsste dazu aggressive Chemikalien einsetzen, die für die Anwendung in der Mundhöhle weder zugelassen sind noch unter ethischen Gesichtspunkten wegen der Gesundheitsgefahren überhaupt in Erwägung gezogen werden sollten. Der nach wie gegebenen Problematik der Polymerisationsschrumpfung von Kunststoffmaterial (Komposit, Kompomer) wegen ist eine Adhäsion des Materials an den Rändern auszuschließen, und eine lediglich mechanische Retention scheint eher kontraproduktiv, da die entstehende kariöse Läsion unterhalb der Schadstelle dann überhaupt nicht mehr diagnostiziert werden kann.
Fallbeschreibung
Der Redaktion liegt ein Fall vor, in dem ein Zahnarzt im Rahmen einer neuen Restauration bei der Abformung des Gegen-Kiefers eine unbeabsichtigte Entfernung einer Goldkrone bewerkstelligte. Der Behandler beabsichtigte eine Neurestauration mit Kronen an 21,22 sowie eine Brückenkonstruktion 23,24,25. Beim Abformen löste sich die Krone von Zahn 26.
Hier könnte der erste Behandlungsfehler aufgetreten sein: bei stark konischer Präparation (könnte vorgelegen haben) und bauchiger Ausformung der Krone (auch das muss berücksichtigt werden) sind die Abzugskräfte bei einem Abformmaterial, wie z.B. Impregum, sehr groß und können auch eine Krone mit intakter Zementierung vom Stumpf ziehen.
Hier sollte vor Abformung zumindest die Kronenform inspiziert werden, und bei einer Möglichkeit einer iatrogenen Schädigung gibt es beschriebene einfache Vorsichtsmaßnahmen. Ein simples Ausblocken der Unterschnitte an den Restaurationen im Mund verhindert zuverlässig solche Zwischenfälle.
Die erforderliche Wieder-Befestigung der Krone nach Inspektion des Kronen-Stumpfs und Feststellung der Kariesfreiheit (wird zugunsten des Zahnarztes angenommen) wurde vorgenommen, allerdings fehlerhaft. Nach Aushärtung des Zements zeigte sich eine erhebliche Bisserhöhung. Anstatt, wie geboten, die Restauration unmittelbar erneut abzunehmen und korrekt zu zementieren, wurden lediglich okklusale Einschleifmaßnahmen getroffen. Dabei musste die Annahme einer konischen Präparation gegeben sein, die ein einfaches Abnehmen der fehlerhaft zementierten Krone leicht bewerkstelligen ließ.
Der Zahnarzt korrigierte jedoch seinen Fehler nicht. Daraus entwickelte sich ein dynamisches Geschehen: Nach dem Einsetzen (mit GOZ-Rechnung! Inkorrekte Abrechnung!) entwickelte der Patient eine Aufbissempfindlichkeit. Deshalb fräste er den Zahn insgesamt viermal (!) ab. Da das nur unzureichend zum Erfolg (Schmerzfreiheit) führte, fräste er auch die antagonistische Krone Zahn 37 ab – das waren keine Einschleifkorrekturen, sondern schlichte Reduktion der Bisshöhe, da die Okklusionsflächen hinterher extrem rau waren und die Zunge des Patienten in Mitleidenschaft zogen. Diese Krone perforierte anschließend – bei einer Nachuntersuchung diagnostizierte der Zahnarzt Karies (!) anstatt „Perforation“, die nach Excavieren mit einer Kunststofffüllung versorgt wurde.
Diese Vorgehensweise ist aus mehrerlei Gründen fehlerhaft:
- der Zementierspalt ist mit Sicherheit viel zu groß, was zu Sekundärkaries unterhalb der Kronenränder führt.
- Die erfolgte okklusale Einschleifmaßnahme führte, da dem Zahnarzt sicherlich die Gefahr der Perforation bekannt war, zu einer verbleibenden Bisserhöhung mit der Folge einer persistierenden Aufbissempfindlichkeit.
- Durch übermäßige Abrasion wegen einer nicht geglätteten Gegenbezahnung fanden weitere Substanzverluste statt, die zur Perforation führten
Dies alles hätte bei genügend Sorgfalt alleine durch ein ausblocken der Kronenunterschnitte verhindert werden können.
Die diagnostizierte Perforation wurde dann jedoch ebenfalls nicht lege artis versorgt:
Anstatt die Chance zu nutzen und nunmehr die Krone abzunehmen, wie es geboten gewesen wäre, um den Defekt korrekt instand zu setzen sowie eine korrekte Zementierung vorzunehmen (eine Einrede, man habe das nicht bemerkt, ist gegenstandslos, da ja bei korrekter Zementierung keine Bisserhöhung aufgetreten wäre), wurde mit einem Kompositmaterial versorgt, dies unter Anwendung eines Labor-Silanisierungsmaterials, das weder für die Mundhöhle zugelassen noch sinnvoll war, da eine Verbesserung der Adhäsion dadurch nicht erwartet werden konnte.
Damit hat der Zahnarzt so fehlerhaft gehandelt, dass die Grenze der fahrlässigen bzw. vorsätzlichen Körperverletzung erreicht wurde. Erschwerend kommt hinzu, dass entgegen den Vorgaben des SGB V (der Patient ist GKV-versichert) keine Behandlung innerhalb des BEMA abgerechnet wurde, sondern nach GOZ, ohne die vorgeschriebene vorab zu erfolgende Aufklärung oder den ebenfalls vorgeschriebenen Abschluss eines Privatbehandlungsvertrags. Überdies wurde die Behandlung durch eine Fehlhandlung des Zahnarztes erst erforderlich und hätte innerhalb der vorgeschriebenen Gewährleistung nach BGB kostenfrei erbracht werden müssen.
Es mag Gründe geben, in Zeitnot manche Therapien nicht absolut lege artis durchzuführen – die Mängel des geschilderten Falls gehen jedoch weit über das tolerierbare hinaus. Hier wird der Gesamtheit der Zahnärzte Schaden zugefügt. Die private Rechnungsstellung verhindert eine Kontrolle durch die Krankenkassen bzw. die KZV, denen die Fehl-Behandlung sicherlich aufgefallen wäre – die sogar noch rechtswidrig abgerechnet wurde! –, es darf angenommen werden, dass dem betreffenden Behandler durchaus bewusst war, dass hier etwas schief gegangen war und deshalb der Weg über die Abrechnung nach BEMA vermieden wurde. So entsteht dann das bedauerliche Bild in der Öffentlichkeit vom geldgierigen schlampig arbeitenden Zahnarzt…
Solche „schwarzen Schafe“ sollten energisch an weiterem Tun gehindert werden, denn, seien wir ehrlich: hundert ordentlich arbeitende Kollegen können ein Negativbild ausgelöst durch einen inkorrekten Kollegen nicht kompensieren, das ungünstige Bild setzt sich durch.