Achten Sie auf Fallstricke bei der Berechnung des Eigenanteils!
Ein Münchner Zahnarzt wurde wegen „gewerbsmäßigen Betruges“ vor Gericht gestellt. Seit Jahren soll er, so die Anklage, zusammen mit seiner Ehefrau, die für ihn die Buchhaltung erledigt, insgesamt 70 000 € zu Unrecht eingenommen haben. Der Vorwurf: er habe den Patienten der GKV vor Behandlungsbeginn geraten, eine private Zusatzversicherung abzuschließen, um dann über diese Zusatzversicherung höherwertige Leistung en anbieten und abrechnen zu können. Dabei hat er dann, so der Vorwurf, den Patienten den in den Versicherungsverträgen vereinbarten Selbstbehalt erlassen. Der Staatsanwaltschaft zufolge wurde er auch von Patienten danach gefragt, ob er denn nicht mit dem, was die Versicherung ausbezahlt, zufrieden wäre. 49 solcher Patienten haben deshalb einen Strafbefehl erhalten. Fortsetzung folgt.
Auf den ersten Blick möchte man meinen, der Kollege sei besonders sozial eingestellt. „Die armen Patienten“ sollen doch nicht benachteiligt werden, indem sie einen Eigenanteil zahlen müssen. Nicht zuletzt werben ja auch die Versicherungen damit, dass der von der GKV vorgesehene Eigenanteil übernommen würde, wenn eine Zusatzversicherung abgeschlossen worden sei. Jedoch nur in den seltensten Fällen stimmt das so – meistens wird trotz allem ein Eigenanteil fällig, weil auch die Zusatzversicherung nicht den vollen Rechnungsbetrag erstattet. Da ist es verständlich, dass ein Zahnarzt schwach werden könnte – die Versicherten, die das Kleingedruckte selten lesen, fühlen sich betrogen.
Und dann gibt es natürlich auch Versicherungen bzw. Versicherungsmakler, die die Zahnärzte dazu auffordern, doch aktiv dafür einzutreten, dass die Patienten Zusatzversicherungen abschließen sollen. Damit sei doch ein netter Zusatzumsatz mit gutem Ertrag möglich.
Die Rechtsordnung sieht dies jedoch als Unrecht an. Es fruchtet wenig jetzt darüber zu diskutieren – es ist einfach so:
Wenn der Zahnarzt aktiv dafür wirbt, Zusatzversicherungen abzuschließen, so ist das schon mal primär standeswidrig. Ein Zahnarzt ist kein Versicherungsvertreter. Dazu kommt, dass es reichlich töricht scheint, Versicherungen zu verkaufen, wenn man dafür nichts bekommt. Der Makler nämlich geht kein Risiko ein (wie der zahnärztliche Kollege) und verdient reichlich daran: es werden 6 bis 8 Monatsbeiträge an Abschluss-Provision fällig, die naturgemäß nicht wieder als Erstattung ausgezahlt werden können. Für die Betreuung der Versicherten gibt es weiter Geld, und nicht zu knapp.
Deshalb sind die Versicherer jetzt richtig aktiv und gehen den kleinsten Hinweisen nach, um den Missbrauch – um den handelt es sich – einzudämmen. Logisch: man will ja nicht mehr ausgeben als man einnimmt, jede Versicherung ist eigentlich nur dazu da, irgendwelche unerwarteten existenzbedrohenden Risiken abzudecken, sie dürfen nicht zum Geschäft für Versicherte werden. Das mag man den potentiellen Kunden aber nicht sagen.
Naturgemäß – so wird ja auch geworben – stellt sich die Situation erst mal so dar: der Zahnarzt stellt fest, dass beim Patienten doch einiges zu machen wäre. In der Diskussion findet der Patient die auf ihn/sie zukommenden Kosten als zu hoch. Einfache Lösung (so meint man): es wird eine Zusatzversicherung abgeschlossen.
Da dieser Mechanismus absehbar ist, haben die Versicherer eine Bremse vorgesehen: es bleibt erst mal ein gewisser Eigenanteil, und, das ist noch wichtiger, es sind keine Schäden abgesichert, die bei Abschluss der Versicherung schon bestehen. Und hier hat unser angeklagter Zahnarzt gegen die Rechtsordnung verstoßen: er hat, so die Anklage, Rechnungen falsch datiert, um eben bereits bestehende Schäden auch noch von der Versicherung bezahlen zu lassen, obgleich sogar ein dringender Behandlungsbedarf bestand. Schon das Erlassen des Eigenanteils war bereits aktiv ein Betrug, dazu kommt noch die Fälschung der Behandlungs- bzw. Rechnungsdaten.
Die Staatsanwaltschaft hat nun dem Zahnarzt gewerbsmäßigen Betrug vorgeworfen.
Das Strafgesetzbuch regelt Betrug in § 263 StGB. „1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
- einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
- eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
- seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht oder
- einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.
(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.
(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.
(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).
(7) Die §§ 43a und 73d sind anzuwenden, wenn der Täter als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat. § 73d ist auch dann anzuwenden, wenn der Täter gewerbsmäßig handelt.“
Da ein Zahnarzt (trotz Freiberuflichkeit) der Gesetzesnorm gemäß ein Gewerbe betreibt, ist also eine Mindeststrafe von sechs Monaten zu erwarten. Dies jedoch nur bei dem Vorwurf nur einer Tat. Nun hat er auch noch seine Patienten angestiftet zum Betrug an ihrer Versicherung (zweite Straftat), Rechnungen bzw. Abrechnungsdaten gefälscht (dritte Straftat) – da kommt eine größere Strafe heraus, insbesondere, weil der Zahnarzt zusammen mit seiner Ehefrau und den Abrechnungshelferinnen als „Bande“ agiert hat. Der Schaden ist auch nicht unerheblich (70 000 sowie weitere 17 000, bei denen der Versuch vorlag).
Damit ist der Zahnarzt erst mal seine Zulassung los, weil er ja zusätzlich zur Strafe des Strafgerichts auch eine Disziplinarstrafe zu erwarten hat.
Fazit: man sollte besser auf die Warnungen hören – die Standesorganisationen haben auf die Strafbarkeit hingewiesen (Beispiel BZB) – liebe Kollegen, seien Sie nicht töricht und betreiben das Geschäft Anderer und gehen solche unabsehbar hohen Risiken ein!
Falls ein Zahnarzt Post vom Staatsanwalt erhält, sollte unbedingt folgendes beachtet werden:
- Keine Unterlagen beseitigen oder verändern, das wirkt sich strafverschärfend aus
- Unbedingt gleich zu Beginn einen Anwalt konsultieren (da gilt nur eine Rechtsschutzversicherung, die auch solche Risiken abdeckt, im Normalfall hat man also keine Versicherung)
- Von Beginn an aktiv an der Aufklärung mitarbeiten, das kann strafmindernd wirken
Natürlich ist es besser, wenn man gar nicht erst ins Visier der Strafermittler gerät. Hier gilt: je weniger Leute eingeweiht sind desto besser. Schon ein kleiner Familienstreit, schon eine Rüge einer Mitarbeiterin kann dazu führen, dass die Ermittlungsbehörden informiert werden. Mitwisser machen erpressbar. Und, natürlich, am besten ist es, sich stets nach Recht und Gesetz auszurichten und gar nicht mit solchem Unfug anzufangen.
Ganz wichtig: informieren Sie sich kontinuierlich zur rechtlichen Situation – Unwissen schützt nicht vor Strafe, ist ein altes, jedoch stets gültiges Sprichwort!