Versorgung mit komplexen direkten ORMOCER-Kompositrestaurationen im Seitenzahnbereich – ein Fallbericht von Dr. Clarence Tam (Neuseeland).
Aus finanziellen Gründen sehen sich Patienten und Zahnärzte heute häufig gezwungen, bei der Versorgung von großen strukturellen, funktionalen und ästhetischen Defekten auf restaurative Materialien zurückzugreifen. Der vorliegende Fall veranschaulicht, wie sich mithilfe der Anwendung eines innovativen, organisch modifizierten Keramikkomposits mit extrem niedrigem Schrumpfungsstress und geringer Volumenschwindung eine zahnsubstanzerhaltende Restauration durchführen lässt. Für eine lange Lebensdauer der Restauration ist okklusale Funktionalität von grundlegender Bedeutung.
Eine 71-jährige Frau kam in meine Praxis, um die insuffizienten, extrem großvolumigen Kompositfüllungen an Zahn 46 und 47 austauschen zu lassen. Die natürliche Krone wies noch eine geringe Reststruktur auf, und die Patientin wünschte keine weitere Entfernung von Zahnsubstanz. Aus finanziellen Gründen wünschte die Patientin keinen prothetischen Ersatz z.B. in Form einer Keramikrestauration. Der Patientin wurde ein direktes komplexes Kunststoffonlay empfohlen, dass eine funktionelle und nicht-funktionelle Höckerreduktion erforderte. Bei diesem unkonventionellen Ansatz galt es, bei der Okklusionsgestaltung sowohl die Stärken und Schwächen des zu verwendenden Materials als auch die der Restzahnstruktur zu berücksichtigen.
Die Patientin erhielt eine Lokalanästhesie mit 1 Ampulle Articain 4 % mit Epinephrin 1:100.000, und die Zähne wurden vor der Entfernung der bestehenden Restaurationen mit Kofferdam isoliert. Zur Gewährleistung einer kariesfreien, harten Dentinbasis wurden drei aufeinanderfolgende Kontrollen mit einem Kariesdetektor (Caries Marker, VOCO) durchgeführt. Die Dicke der verbliebenen Höcker wurde gemessen: An ihrer Basis wiesen die Höcker 3 mm auf. Es erfolgte eine starke Randabschrägung, um bei minimaler Reduktion im Bereich der Höcker im Sinne einer großen Kontaktfläche möglichst viel des geplanten Restaurationsmaterials einsetzen zu können. Für die zu behandelnden Kavitätenbereiche waren keine zentrischen Kontakte oder andere ausgedehnte funktionelle Kontakte geplant.
Die Präparationen wurden einer Micro-Air-Abrasion mit 27-Mikrometer-Aluminiumoxid unterzogen. Anschließend erfolgten eine selektive Schmelzätzung mit 33%iger Orthophosphorsäure und das Bonden mit Futurabond U (VOCO). Die lingualen Höcker von Zahn 46 wurden mit Admira Fusion x-tra in Universalfarbe, einem rein keramisch basierten Bulk-Fill-Komposit, freihändig modelliert. Die Höcker wurden schrittweise in 2 mm-Inkrementen nach zentro-okklusal erweitert. Der Clou war hierbei, diesen Bulk-Fill-Werkstoff nicht im „Bulk“ zu applizieren, um so bei der Vorgehensweise die maximale Durchhärtungstiefe jederzeit sicherzustellen.
Der Vorteil von Admira Fusion x-tra ist die erhöhte Durchhärtungstiefe, die diesem Restaurationsmaterial zu eigen ist. Nach Durchhärtung der lingualen Höckerbasis wurde ein Teilmatrizensystem (V3, Triodent) eingesetzt. Im Bereich des gingivalen Bodens des Approximalkastens wurde eine geringe Menge des fließfähigen Admira Fusion Flow (Farbe A3, VOCO) in drei Inkrementen von jeweils 0,25 mm (extrem dünn) appliziert, um die jeweils vollständige und maximale marginale Hybridisierung und Adaption zu gewährleisten. Die Randleisten wurden dann schrittweise mit Admira Fusion x-tra (Farbe U) komplettiert.
Die bukkalen Lamellen wurden mit Admira Fusion x-tra einzeln geschichtet und anschließend die „Tam interlobe staining-Technik“ angewendet (braun, FinalTouch, VOCO), um die Farbgebung zu individualisieren. Im nächsten Schritt wurden die lingualen Höcker einzeln modelliert und damit die Gestaltung der okklusalen Anatomie abgeschlossen. Nach dem vollständigen Finieren von Zahn 46 wurde das Matrizensystem an Zahn 47 eingesetzt (Omnimatrix, Ultradent: distale Randleiste; V3, Triodent: mesiale Randleiste). Der 47er wurde in ähnlicher Weise mit einem Bulk-Fill-Material in Universalfarbe (Admira Fusion x-tra) restauriert.
Weiße Farbe zum Individualisieren (FinalTouch, VOCO) wurde in geringer Menge auf die Dreieckswülste der Zähne 46 und 47 aufgetragen, um die Hypokalzifikation des Schmelzes zu imitieren. Anschließend wurde eine Glycerinschicht aufgetragen und das Komposit durch das Glycerin hindurch vollständig polymerisiert, um die Sauerstoffinhibitionsschicht zu vermeiden. Es mussten nur geringe okklusale Anpassungen vorgenommen werden. Unter Berücksichtigung der Materialeigenschaften des ORMOCERs (hohe Kompressionsstärke und geringe Flexibilität) erfolgte im nächsten Schritt das Einschleifen der Okklusion zur Herstellung leichter zentrischer Punktkontakte ohne ausgedehnte laterale Kontakte oder Interferenzen. Die Restaurationen wurden unter Wasserspray mit einem einstufigen Polierer (Dimanto, VOCO) auf Hochglanz poliert.
Begründung der Materialwahl
In der allgemeinzahnärztlichen Praxis gewinnt die Alterszahnheilkunde zunehmend an Bedeutung. Als Hauptziel für die Behandlung dieser Bevölkerungsgruppe gilt grundsätzlich „der Erhalt der Funktionalität bei geringem Kostenaufwand“. Die meisten älteren Menschen sind nicht bereit, viel Geld in ihre Zähne zu investieren. Um diesem Fakt Rechnung zu tragen, ist es unumgänglich, die verschiedenen direkten und indirekten Restaurationsmaterialien in Hinblick auf ihre Belastungsfähigkeit zu kennen, um so die passende Restauration gestalten zu können.
Kompositkunststoffe besitzen eine hohe Kompressionsstärke, jedoch nur eine geringe Spannung und Flexibilität. Die Kompressionsstärke von Schmelz beträgt 384 MPa und die von Dentin 297 MPa. Die Biegefestigkeit von Dentin beträgt hingegen 165,6 MPa. Die Kompressionsstärke von Admira Fusion x-tra liegt bei 307 MPa und die Biegefestigkeit bei 132 MPa – akzeptable Werte im Vergleich zum natürlichen Zahn.
Die wahre Stärke von Admira Fusion liegt in seiner Materialzusammensetzung, denn es enthält keine klassischen Methacrylat-Monomere und ermöglicht dadurch eine biokompatiblere Restauration (ein rein keramisch basiertes Füllungsmaterial, das kompatibel mit allen Bondingsystemen ist). Gleichzeitig sorgt die Zusammensetzung für eine äußerst geringe Volumenschrumpfung von 1,25 %, derzeit die niedrigste auf dem Markt. Auch bei den gezeigten Klasse-II-Füllungen ist ein optimales Randschlussverhalten essenziell, insbesondere bei dentinbegrenzten Füllungsrändern unterhalb der Schmelz-Zement-Grenze.
Arora et al. untersuchten die Rolle von fließfähigen Kompositen im Hinblick auf den Randschluss bei Klasse-II-Kavitäten unterhalb der Schmelz-Zement-Grenze und konnten eine signifikante Reduzierung von Mikroleckagen zeigen, wenn ein fließfähiger Komposit-Liner anstelle eines rein stopfbaren Kompositkunststoffs (1) verwendet wurde. Dieser Untersuchung liegt die Tatsache zugrunde, dass die Schwachstelle von Klasse-II-Restaurationen grundsätzlich beim Füllungsrand im Bereich des proximalen Kastenbodens liegt, insbesondere bei subgingivaler Lage. Aus diesem Grund sind sowohl Volumenschrumpfung als auch Schrumpfungsstress zwei weitere wichtige Faktoren im Hinblick auf hohe Randpräzision und -schluss.
Der extrem niedrige Schrumpfungsstress (3,71 MPa) dieses Bulk-Fill-Materials in Kombination mit hoher Durchhärtungstiefe gewährleistet maximalen Randschluss, insbesondere wenn es wie ein klassisches Komposit in kleinen Inkrementen angewendet wird. Im Hinblick auf die Vermeidung von Zahnfleischreizungen spielt Biokompatibilität eine wichtige Rolle und keramisch basierte Komposite begünstigen die Biofilmbildung in geringerem Maße als Kunststoffkomposite.
Aufgrund seines verblüffenden Chamäleoneffekts und der optimalen Verarbeitungseigenschaften ist das Material in meiner Praxis in 90 % der Seitenzahnrestaurationen das Mittel der Wahl. Auf diese Weise kann ich, insbesondere bei kombinierter Anwendung mit den leicht zu applizierenden Charakterisierungsfarben aus dem Finaltouch-Sortiment, mit praktisch einem einzigen intelligenten Material die Effizienz, Ästhetik, Vorhersagbarkeit und den Randschluss enorm steigern.
Literatur
1) Arora, R.,Kapur, R.,Sibal, N. und Juneja, S. Evaluation of Microleakage in Class II Cavities using Packable Composite Restorations with and without use of Liners. Int J Clin Pediatr Dent. 2012;5(3):178-184.
Zur Autorin
Dr. Clarence Tam führt eine Praxis in Auckland (Neuseeland), die sich auf kosmetische und restaurative Zahnheilkunde spezialisiert hat. Die gebürtige Kanadierin besitzt einen Abschluss der Universität Western Ontario und hat eine Facharztausbildung als Allgemeinzahnärztin an der Universität Toronto/Hospital for Sick Children absolviert. Sie ist Geschäftsführerin und Vorsitzende der New Zealand Academy of Cosmetic Dentistry (NZACD) und ist akkreditiertes Mitglied der renommierten American Academy of Cosmetic Dentistry (AACD).
Kontakt
Dr. Clarence Tam, Cosmetic and General Dentistry, E-Mail: clarence.tam@gmail.com, www.clarencetam.co.nz