Klinische Anwendung regenerativer Materialien und Techniken in der Parodontologie
Von Anton Sculean, Florian Rathe und Søren Jepsen
1 Einleitung
Die regenerative Parodontaltherapie beinhaltet die Therapiemethoden, die speziell gestaltet sind, um eine vorhersagbare Neubildung von zahnhaltenden Strukturen (d.h. Wurzelzement, Desmodont und Alveolarknochen) zu ermöglichen [31]. Die konventionelle, nicht-chirurgische und chirurgische Parodontitistherapie resultiert zwar in einer Reduktion der Sondierungstiefen und in einem Gewinn von klinischem Attachment, histologisch ist die Heilung jedoch meist durch die Ausbildung eines langen Saumepithels und in keiner vorhersagbaren Regeneration charakterisiert, d.h. der Alveolarknochen, der Wurzelzement und das Desmodont werden nicht komplett wiederhergestellt [3].
Im Folgenden wird eine Übersicht der vorhandenen Materialien in der regenerativen Parodontitistherapie gegeben. An die Übersicht anknüpfend wird die klinische Anwendung von regenerativen Materialien und Techniken beschrieben, sowie eine Entscheidungshilfe für die regenerative Behandlung von intraossären parodontalen Defekten vorgestellt.
1.1 Knochenersatzmaterialien
Der Einsatz von Knochenersatzmaterialien beruht auf der Annahme, dass diese Materialien die Neubildung von Alveolarknochen und Wurzelzement durch eine der folgenden Eigenschaften fördern:
- Sie enthalten Knochen bildende Zellen (Osteoneogenese)
- Sie dienen als Leitschiene für Knochenneubildung (Osteokonduktion)
- Sie enthalten knocheninduzierende Substanzen (Osteoinduktion).
Die verschiedenen Knochenersatzmaterialien können in folgende Gruppen unterteilt werden:
- Autolog: Transplantate, die innerhalb eines Individuums entweder von einer extraoralen (z.B. Beckenkamm) oder einer intraoralen (z.B. Tuber- oder Kinnbereich) Lokalisation entnommen werden.
- Allogen: Transplantate, die aus unterschiedlichen Individuen derselben Spezies entnommen werden.
- Xenogen: Transplantate, die aus einer anderen Spezies stammen.
- Alloplastisch: Synthetische oder anorganische Materialien.
1.1.1 Autologe Transplantate
Autologe Transplantate können eine große Anzahl von lebenden Zellen enthalten und die Knochenheilung durch Osteogenese und/oder Osteokonduktion beeinflussen. Sie werden resorbiert und mit neuem vitalen Knochen ersetzt. Als Entnahmestelle können extraorale oder intraorale Stellen dienen. Obwohl der Einsatz von extraoralen autologen Transplantaten zu einer parodontalen Regeneration führen kann, wird diese Technik heute aufgrund der erhöhten Patientenmorbidität und häufig auftretenden Wurzelresorptionen in der regenerativen Parodontaltherapie kaum mehr angewendet.
1.1.2 Allogene Transplantate
Der Gebrauch von allogenen Transplantaten beinhaltet ein gewisses – wenn auch nur sehr geringes – Risiko einer Antigenität und der Übertragung von Infektionskrankheiten. Die häufigsten allogenen Transplantate in der regenerativen Parodontitistherapie sind das mineralisierte gefriergetrocknete Knochentransplantat (FDBA) und das demineralisierte, gefriergetrocknete Knochentransplantat (DFDBA).
FDBA ist ein mineralisiertes Knochentransplantat, welches durch den Verarbeitungsprozess die Zellvitalität verloren hat. Es entfaltet seine Wirkung hauptsächlich durch Osteokonduktion. Humanhistologische Präparate von intraossären Defekten wiesen, nach Behandlung mit FDBA, die Ausbildung eines langen Saumepithels auf und zeigten keinerlei parodontale Regeneration [10].
Ergebnisse aus Tierversuchen machten deutlich, dass durch die Demineralisation eines kortikalen allogenen Knochentransplantats (DFDBA) das osteogene Potenzial durch die Freisetzung von sog. Bone Morphogenetic Proteins (BMPs) erhöht wird [17]. In einer groß angelegten humanhistologischen Studie konnten Bowers et al. [1] den Beweis einer vorhersehbaren parodontalen Regeneration nach Behandlung intraossärer Defekte mit DFDBA erbringen. Die große Heterogenität der Ergebnisse dieser Studien ist vermutlich auf das unterschiedliche osteoinduktive Potenzial der verschiedenen Spender zurückzuführen.
1.1.3 Xenogene Transplantate
Xenogene Transplantate (Xenograft) aus bovinem Material wurden vor einigen Jahren in die regenerative Parodontaltherapie eingeführt. Humanhistologische Studien konnten eine vorhersehbare, parodontale Regeneration nach Behandlung von tiefen, intraossären Defekten mit einem bovinem Xenograft, unter Verwendung einer bioresorbierbaren Kollagenmembran, nach einem Zeitraum von sechs und acht Monaten nachweisen [2]. Kontrollierte klinische Studien zeigten, dass die Behandlung von intraossären Defekten mit einem Xenograft zu ähnlichen klinischen Ergebnissen wie die Behandlung mit DFDBA führen kann [22].
Vor einigen Jahrzehnten wurden auch Knochenersatzmaterialien aus Korallen in der regenerativen Parodontaltherapie eingeführt. Humanhistologische Studien konnten allerdings keine parodontale Regeneration nach Implantation von Knochenersatzmaterialien auf Korallenbasis nachweisen. Die Heilung war überwiegend durch ein langes Saumepithel charakterisiert, wobei die Partikel des Knochenersatzmaterials bindegewebig eingekapselt waren [26].
1.1.4 Alloplastische Materialien
Alloplastische Materialien sind synthetische, anorganische, biokompatible und/oder bioaktive Knochenersatzmaterialien, welche die Heilung von Knochendefekten durch Osteokonduktion beeinflussen sollten. In der regenerativen Parodontaltherapie werden folgende alloplastische Materialien am häufigsten angewendet:
Hydroxyapatit (HA), Beta-Tricalcium-Phosphat (ß-TCP), Polymere und bioaktive Gläser.
1.1.5 Hydroxylapatit (HA)
Hydroxylapatit (HA) kann in nicht resorbierbarer oder resorbierbarer Form vorliegen. Histologische Studien an Mensch und Tier konnten nach Behandlung intraossärer Defekte mit HA nur eine begrenzte und unvorhersehbare Regeneration parodontaler Strukturen nachweisen [30]. Die Heilung war überwiegend durch ein langes Saumepithel charakterisiert, wobei die meisten HA-Partikel eine bindegewebige Einkapselung erfuhren.
1.1.6 Beta-Trikalzium-Phosphat (ß-TCP)
Die Implantation von Beta-Trikalzium Phosphat (ß-TCP) in intraossäre Defekte zeigte einen signifikanten Gewinn an klinischem Attachment und an knöcherner Defektauffüllung. Sowohl tier- als auch humanhistologische Studien zeigten aber entweder eine sehr schnelle Resorption oder eine bindegewebig Einkapselung des Materials. Es konnte keine vorhersehbare Neubildung von Wurzelzement und Desmodont nachgewiesen werden. Eine Neubildung von Alveolarknochen wurde nur vereinzelt beobachtet.
1.1.7 Polymere
Zwei Arten von Polymeren wurden als Knochenersatzmaterialien in der Behandlung von parodontalen Defekten untersucht:
- mit nicht resorbierbarem Kalziumhydroxid bedecktes Kopolymer aus Poly-Methyl-Methakrylat (PMMA) und Poly-Hydroxylethyl-Methakrylat (PHEMA), bekannt auch als HTR-Polymer (hard tissue replacement graft),
- resorbierbare Polylaktid Säure (PLA).
Histologische Studien konnten keine parodontale Regeneration nach Implantation von HTR Polymeren in parodontalen Defekten nachweisen. Über die Behandlung mit PLA liegen keine histologischen Studien vor.
1.1.8 Bioaktive Gläser
In einer Studie von Nevins et al. [20] zeigte die Behandlung von intraossären Defekten mit bioaktivem Glas zwar gute klinische Ergebnisse, histologisch war die Heilung jedoch durch ein langes Saumepithel und bindegewebige Einkapselung der Partikeln gekennzeichnet. Das Material wies gute osteokonduktive Eigenschaften auf, führte aber nicht zu einer vorhersehbaren parodontalen Regeneration.
1.2 Die Gesteuerte Geweberegeneration (GTR)
Das Prinzip der GTR beruht auf der Isolation der langsam wachsenden Zellen aus Desmodont und Alveolarknochen von den umgebenden Epithel- und Bindegewebszellen, welche erheblich schneller regenerieren. Durch eine mechanische Barriere wird dem parodontalen Faserapparat und dem Alveolarknochen die Möglichkeit zur Regeneration gegeben.
Die ersten klinisch getesteten Barrieren waren die Milipore® Filter, gefolgt von den immer noch verwendeten Membranen aus gerecktem (expanded) Polytetrafluorethylen (e-PTFE).
Gottlow et al. [14] haben gezeigt, dass es infolge der GTR-Behandlung mit e-PTFE Membranen zu einer deutlichen Neubildung von bindegewebigem Attachment und Alveolarknochen kam. Sie stellten ebenfalls fest, dass die Ergebnisse stark von den Restmengen an parodontalem Ligament, der Defektmorphologie, der chirurgischen Technik und der bakteriellen Infektion abhängen.
Diese Ergebnisse wurden später sowohl in tierhistologischen als auch in klinischen Studien bestätigt. Die GTR-Behandlung mit e-PTFE Membranen führt in der Regel zu einem Gewinn an neuem Attachment und neuem Knochen. Bei der Anwendung nicht-resorbierbarer e-PTFE Membranen kommt es häufig zur Komplikation der Membranfreilegung, die dann, abhängig von der Größe der Exposition, aus infektionsprophylaktischen Gründen entfernt werden muss. Je kürzer die Standzeit der Membranen, desto geringer die erreichte Regeneration (empfohlene Standzeit 6-8 Wochen). Ein weiterer Nachteil der nicht resorbierbaren e-PTFE Membranen ergibt sich aus der Notwendigkeit eines zweiten chirurgischen Eingriffs zur Entfernung der Membran. Dadurch kann unter Umständen das neu gebildete Gewebe unter der Membran traumatisiert und der Erfolg negativ beeinflusst werden. Um diese Gefahren zu beseitigen, versuchte man bioresorbierbaren Membranen zu entwickeln, die vergleichbare Barriereeigenschaften aufweisen wie nicht-resorbierbare e-PTFE-Membranen. Ergebnisse aus tierexperimentellen und klinischen Studien lassen darauf schließen, dass mit resorbierbaren Membranen ähnliche Gewinne an neuem bindegewebigen Attachment und neuem Knochen erzielt werden können, wie mit den nicht-resorbierbaren e-PTFE-Membranen. Die resorbierbaren Membranen bestehen entweder aus natürlichen oder aus synthetischen Biomaterialien. Als natürliche Biomaterialien wird tierisches (Rind oder Schwein) oder menschliches (Dura Mater) Kollagen Typ I und III verwendet. Die Resorptionszeit liegt zwischen vier Wochen und sechs Monaten. Die aus synthetischen Materialien hergestellten Membranen bestehen aus einem oder mehreren Polymeren, die eventuell mit Weichmachern (Zitronensäureester) kombiniert werden. Die Resorption erfolgt durch Hydrolyse der Esterbindungen, unter Bildung von Glykol und Milchsäure, die im Zitronensäurezyklus zu CO2 und H2O abgebaut werden. Die Resorptionszeit der synthetischen Membranen liegt zwischen drei und sechs Monaten.
Humanhistologische Studien haben gezeigten, dass die Behandlung von intraossären Defekten mit resorbierbaren Membranen vorhersehbar in einer parodontalen Regeneration resultiert.
1.3 Schmelz-Matrix-Proteine
Ergebnisse aus der Grundlagenforschung haben auf die Schlüsselrolle der Schmelz-Matrix-Proteine (SMP) in der Entwicklung von Wurzelzement, Desmodont und Alveolarknochen hingewiesen. Das biologische Konzept beruht auf der Annahme, dass die in der Schmelz-Matrix enthaltene Proteine (hauptsächlich die Amelogenine) die Zementogenese entscheidend beeinflussen. Ausgehend von diesen Erkenntnissen wurden die SMP als eine neue Behandlungsmöglichkeit in der regenerativen Parodontaltherapie eingeführt. Weiterhin wird berichtet, dass die SMP nicht nur die Zementogenese fördern, sondern auch die Proliferation von Epithelzellen verhindern. Ergebnisse aus neuesten in-vitro-Studien belegen, dass SMP die Freisetzung von Wachstumsfaktoren aus den Parodontalfibroblasten anregen. Es wird daher vermutet, dass möglicherweise der Wirkungsmechanismus der SMP auch auf der Beeinflussung der Freisetzung von Wachstumsfaktoren im Wundgebiet beruhen könnte. Schmelz-Matrix-Proteine besitzen einen antibakteriellen Effekt und konnten bis zu vier Wochen nach Behandlung auf der Wurzeloberfläche nachgewiesen werden. Histologische Studien demonstrierten, dass die Behandlung von akuten und chronischen Parodontaldefekten mit SMP vorhersehbar zur Neubildung von Wurzelzement mit inserierenden Kollagenfasern und Alveolarknochen führt [15,27].
Aktuelle Daten zeigen, dass die nach SMP Behandlung von parodontalen Knochendefekten erreichte klinische Ergebnisse über einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren erhalten werden konnten [28].
2 Klinische Anwendung regenerativer Materialien und Techniken
Die erfolgreiche Regeneration von parodontalen Knochendefekten setzt vier Bedingungen voraus:
- Entfernung von Toxinen auf der Wurzeloberfläche (durch Instrumentierung)
- Raumschaffung um die koronale Migration von Progenitorzellen auf der Wurzeloberfläche zu ermöglichen (durch Füllermaterialien und/oder Membranen)
- Wundstabilität, um das für die Regeneration wichtige Fibrinkoagulum zu schützen (durch SMP, Membranen oder Membranen und Füllermaterialien)
- Primäre Wundheilung durch einen spannungslosen und kompletten Wundverschluss (durch Nahttechniken).
2.1 Faktoren, die das klinische Ergebnis beeinflussen
Um vorhersehbare Ergebnisse zu erhalten, müssen die Patienten als auch die Defekte vor der regenerativen Therapie sorgfältig ausgewählt werden.
2.1.1 Der Patient
Klinische Studien zeigen, dass Rauchen, sowie eine mangelhafte Mundhygiene, mit eindeutig schlechteren Ergebnissen nach regenerativer Parodontaltherapie einhergehen [4,6]. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die parodontale Restinfektion. Es sollte demnach der regenerativen Therapie immer eine nichtinfektiöse, nicht-chirurgische Parodontitistherapie vorangestellt sein (Abb. 1). Obwohl keine eindeutige Evidenz vorliegt, sollte man Faktoren wie Diabetes mellitus, eingeschränktes Arbeitsfeld und psychische Belastbarkeit bei der Patientenauswahl berücksichtigen.
#Abbildung1Sculean#
2.1.2 Der Defekt
Obwohl flache Knochendefekte das gleiche regenerative Potenzial besitzen wie tiefe Defekte, können größere Attachmentgewinne bei der Behandlung von Defekten, die tiefer als 3 mm sind, beobachtet werden. Weiterhin steigt das regenerative Potenzial eines Defektes mit der Anzahl der Defekt begrenzenden Knochenwände. So haben dreiwandige Defekte eine bessere Prognose als zwei oder einwandige Knochendefekte. Knochendefekte, die röntgenologisch einen Winkel zwischen Defektwand und Zahnachse von weniger als 25° aufweisen (schmale, tiefe Defekte), erreichen durchschnittlich einen um 1,5 mm größeren Attachmentgewinn als Defekte mit einem Winkel von mehr als 37° (breite, flache Defekte) [12,16,24,25]. Die Dicke des Defekt bedeckenden Gewebes spielt bei der Behandlung unter Zuhilfenahme von Membranen eine wichtige Rolle. So konnte gezeigt werden, dass eine Gewebsdicke von weniger als einem Millimeter mit einer erhöhten Prävalenz von Membranfreilegungen assoziiert war (Abb. 2).
#Abbildung2Sculean#
2.2 Schnittführung
Um einen kompletten Wundverschluss zu ermöglichen, hat der Erhalt des interdentalen Gewebes eine herausragende Rolle. Dies kann mit dem „normalen“ Zugangslappen (Access flap) in den seltensten Fällen erreicht werden. Aus diesem Grund sind spezielle Lappentechniken erarbeitet worden. Der modifizierte- und der vereinfachte Papillenerhaltungslappen sind ursprünglich für die Regenerationstherapie mit Membranen entwickelt worden, sollten jedoch auch in der Therapie mit Schmelz-Matrix-Proteinen Anwendung finden.
2.2.1 Modifizierter Papillenerhaltungslappen
Beim modifizierten Papillenerhaltungslappen wird das interdentale Gewebe intakt gelassen. Er kann nur in den Fällen angewendet werden, in denen eine Gewebebrücke von mindestens zwei Millimetern interdental vorhanden ist. Bei einer Gewebebrücke von weniger als zwei Millimetern, kann die Blutversorgung des Lappens nicht gewährleistet werden. Die Nekrose des interdentalen Gewebes könnte resultieren. In solchen Fällen findet der vereinfachte Papillenerhaltungslappen seine Indikation. Des Weiteren ist der modifizierte Papillenerhaltungslappen technisch anspruchsvoll und sollte daher vorwiegend im Frontzahnbereich durchgeführt werden.
Die Schnittführung beginnt man mit einer horizontalen Inzision auf Höhe der Papillenbasis. Diese horizontale Inzision wird intramuskulär um die, dem Defekt angrenzenden Zähne fortgeführt. Nun erfolgt die Präparation eines Mukoperiostlappens, der interdental am besten mithilfe eines Papillenelevators unterminierend präpariert wird. Nach vollständiger Elevation des Lappens wird der bukkale Papillenanteil nach palatinal unter dem Kontaktpunkt durchgeschoben [5,23]. Nach Applikation des regenerativen Materials können bei Bedarf zwei vertikale Inzisionen, sowie eine Periostschlitzung zur Mobilisierung des bukkalen Lappens durchgeführt werden.
2.2.2 Vereinfachter Papillenerhaltungslappen
Der vereinfachte Papillenerhaltungslappen ist im posterioren Bereich (eingeschränkte Sicht, kein direkter Zugang) sowie schmaler interdentaler Gewebebrücke (< 2 mm) indiziert.
Die erste Inzision erfolgt diagonal von der bukkalen Approximalfläche zur Approximalfläche des Nachbarzahnes unterhalb des Kontaktpunktes. Hierbei ist zu beachten, dass die Skalpellklinge parallel zur Zahnachse geführt wird, um ein Ausdünnen mit einer anschließenden Nekrose des Gewebes zu vermeiden. Wie auch beim modifizierten Papillenerhaltungslappen erfolgt eine sulkuläre Inzision um die benachbarten Zähne [7]. Bei Bedarf kann hier ebenfalls der bukkale Lappen durch vertikale Inzisionen und Periostschlitzung mobilisiert werden.
2.3 Nahttechniken
Man unterscheidet hier die Haltenaht von der Verschlussnaht. Die Haltenaht soll die Spannung aus dem Lappen nehmen, sodass die Verschlussnaht vollkommen spannungsfrei gesetzt werden kann. Dies ist besonders bei der Regeneration mit Membranen essenziell, da ein unter Spannung stehender Wundverschluss unweigerlich zur Membranexposition führt. Die Nähte sollten mindestens über zwei Wochen in-situ verbleiben, da es andernfalls zu einer Destabilisierung der Wunde käme. GoreTex zeichnet sich in mehreren Studien als Nahtmaterial der Wahl für regenerative Eingriffe aus. GoreTex Nahtmaterial zeigte eine sehr geringe bakterielle Kolonisation. Falls andere Nahtmaterialien zum Einsatz kommen, sollte man einen monofilamentären Faden benutzen, da diese, genauso wie GoreTex Nähte, eine sehr geringe bakterielle Besiedlung aufweisen.
2.3.1 Haltenaht
Die Haltenaht besteht aus einer horizontalen Matratzennaht, die interdental gekreuzt verläuft. Die bukkalen und lingualen Einstiche sollten sich so weit wie möglich apikal befinden, müssen jedoch in der keratinisierten Gingiva liegen. Der interdentale Nahtanteil liegt den Knochenwänden bzw. der Membran auf. Bei Regeneration eines einwandigen Knochendefektes allein mit Schmelz-Matrix-Proteinen, sollte diese Naht nicht angewendet werden, da sie hier keine Auflage findet und im Defekt zum liegen kommt, was die Regeneration empfindlich stören würde.
In solch einem Fall kommt die sogenannte Offset Naht zum Einsatz. Hierbei liegen die bukkalen und lingualen Einstiche im Bereich der dem Defekt benachbarten Zähne. Somit kommt die Haltenaht auf der noch existierenden Knochenwand (dem Defekt begrenzenden Knochenwand) zum Liegen. Durch das anziehen der Nähte kommt es auch hier zu einer Koronalverlagerung der Wundlappen [11,18].
2.3.2 Verschlussnähte
Bei schmalen Interdentalräumen dient eine Einzelknopfnaht zum Wundverschluss. Bei breiteren Interdentalräumen sollten zwei Einzelknopfnähte oder die modifizierte Laurellnaht zum Einsatz kommen. Bei der modifizierten Laurellnaht handelt es sich um eine vertikale Matratzennaht, bei der man vor dem Verknoten der beiden Nahtenden, den Faden durch die palatinal bzw. lingual verlaufende Schlaufe führt. Die vertikale modifizierte Matratzennaht nach Laurell sichert eine optimale Adaptation der Wundränder.
2.4 Postoperatives Protokoll
Ziel der postoperativen Nachsorge ist der Schutz vor Wundinfektionen und vor mechanischem Trauma. Das postoperative Protokoll sollte die Mundspülung mit Chlorhexidin (0,2 oder 0,12%) zwei- bis dreimal täglich beinhalten. Es existiert keine Evidenz, dass die systemische Gabe von Antibiotika (Tetrazyklin oder Amoxizillin) über eine Woche zu besseren Ergebnissen führt, kann aber im Einzelfall indiziert sein. Nach der Behandlung mit Schmelz-Matrix-Proteinen sollte im Operationsgebiet die Mundhygiene für vier Wochen ausgesetzt werden. Nach der Behandlung mit nicht resorbierbaren Membranen sollten bis zur Entfernung der Membran nach vier bis sechs Wochen keine Mundhygienemaßnahmen erfolgen. Bei Anwendung resorbierbarer Membranen ist ein Aussetzen der Mundhygienemaßnahmen über sechs Wochen indiziert. Über den Zeitraum, in dem keine häusliche Mundhygiene durchgeführt werden darf, sollte der Patient zur wöchentlichen, professionellen, supragingivalen Zahnreinigung einbestellt werden. Es sollte für mindestens sechs Monate im regenerativ behandelten Bereich nicht sondiert werden.
2.5 Kombinationen und Behandlungsstrategien
Experimentelle und klinische Studien haben gezeigt, dass das Ausmaß der Regeneration stark von dem sich unter dem Mukoperiostlappen befindendem Freiraum abhängt. Ein Kollaps des Mukoperiostlappens kann den für den Regenerationsprozess benötigten Raum limitieren und dadurch das Ergebnis der Therapie negativ beeinflussen. Um diese Nachteile zu umgehen, werden Kombinationstherapien angewendet. Obwohl Daten aus kontrollierten klinischen Studien bisher keinen eindeutigen Vorteil einer Kombinationstherapie gegenüber den Einzeltherapien nachweisen konnten, gilt die Kombination von Füllermaterialien und resorbierbaren Membranen bei Defekten ohne stützender Knochenunterlage als empfehlenswert [9, 29]. Resorbierbare Membranen kollabieren in den Defekt und würden, wenn ohne Füllermaterialien angewandt, den zu regenerierenden Raum stark limitieren. Auch Schmelz-Matrix-Proteine können, aufgrund ihrer gelartigen Konsistenz, das Kollabieren des Mukoperiostlappens nicht verhindern.
Im Folgenden sollen die von Froum et al. [13] und von Cortellini & Tonetti [8] beschriebenen Behandlungsstrategien kombiniert werden, um dem Leser eine Entscheidungshilfe in der Behandlung von parodontalen Knochendefekten zu geben.
Der zu wählende Zugangslappen richtet sich nach der Breite der interdentalen Gewebebrücke und der Lokalisation des Defektes. Befindet sich der Defekt im Frontzahnbereich und ist das interdentale Gewebe breiter als zwei Millimeter, sollte der modifizierte Papillenerhaltungslappen präpariert werden. Ist dagegen die interdentale Gewebebrücke schmal (< 2 mm) oder der Defekt im Seitenzahnbereich gelegen, sollte der vereinfachte Papillenerhaltungslappen zur Anwendung kommen. Das weitere Vorgehen richtet sich nach der Defektanatomie. Drei- und zweiwandige Knochendefekte, mit stützender Defektanatomie, können mit Schmelz-Matrix-Proteinen oder mit resorbierbaren Membranen behandelt werden (Abb. 3). In Fällen mit dünnem Gewebe (< 1 mm) sollte einer Behandlung mit Schmelz-Matrix-Proteinen der Vorzug gegeben werden, da die Gefahr einer Membranexposition erhöht ist. Ein- und zweiwandige Knochendefekte, ohne stützende Defektanatomie, können mit titanverstärkten, nicht resorbierbaren Membranen oder resorbierbaren Membranen in Kombination mit Füllermaterialien regeneriert werden (Abb. 4).
Froum et al. [13] beschreiben weiterhin die Kombination von Füllermaterialien und Schmelzmatrixproteinen in breiten, zweiwandigen Knochendefekten (Abb. 5).
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#Abbildung3cSculean#
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#Abbildung5Sculean#
2.6 Furkationsbehandlung
Als Hauptindikation für die GTR Therapie von Furkationsdefekten, gelten die Grad II Defekte im Unterkiefer. Im Oberkiefer können nur bukkale Grad II Defekte vorhersagbar regeneriert werden [21]. Eine Regeneration von Grad III Defekten konnte bei Menschen weder im Oberkiefer noch im Unterkiefer beobachtet werden. Der Attachmentgewinn ist in Grad I Defekten derart gering, sodass eine teure regenerative Behandlung in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen würde. Generell kann aber angenommen werden, dass eine komplette Schließung der Grad II Furkationen nicht vorhersehbar erreicht werden kann. Vergleiche mit der Lappenoperation konnten aber zeigen, dass die GTR Therapie von Grad II Furkationsdefekten im UK in einem signifikant höheren CAL Gewinn resultiert, als die alleinige Lappenoperation [19]. Weiterhin werden bessere Ergebnisse für die Verwendung von Membranen aus Polymer und e-PTFE in der Furkationstherapie beschrieben. Wenn die GTR Therapie bei der Behandlung von Furkationsdefekten zum Einsatz kommt, sollte die Membrantechnik mit einer zusätzlichen Applikation von Füllermaterialien kombiniert werden. Es scheint, dass die GTR Therapie, in Kombination mit Füllermaterialien, in der Behandlung von Klasse II Defekten effektiver ist, als die alleinige Behandlung mit SMP.
2.7 Komplikationen
Die häufigsten Komplikationen treten bei der Behandlung mit nicht-resorbierbaren Membranen auf und bestehen aus der Membranfreilegung (Prävalenz von 70-80%). Die Häufigkeit von Membranexpositionen konnte durch die Anwendung des modifizierten-, sowie des vereinfachten Papillenerhaltungslappens und der Anwendung von resorbierbaren Membranen stark reduziert werden. In einer klinischen Studie, in der die Behandlung von parodontalen Knochendefekten mit Schmelz-Matrix-Proteinen und GTR Therapie mit resorbierbaren Membranen verglichen wurde, kam es bei allen mit GTR behandelten Defekten zu mindestens einer Komplikation (meist Membranfreilegung), hingegen nur bei sechs Prozent der mit Schmelz-Matrix-Proteinen behandelten Defekte. Kommt es zu einer Membranexposition, führt dies unweigerlich zur bakteriellen Kontamination der Membran. Dies hat bei nicht-resorbierbaren Membranen, abhängig von der Größe der Exposition, meist die Entfernung zur Folge. Da sich die Entfernung bei resorbierbaren Membranen sehr viel schwieriger darstellt, kann hier zunächst die Behandlung mit Chlorhexidin Gel und Mundspüllösungen, sowie dem Reinigen der Perforationsstelle mit weicher Zahnbürste oder Wattepellet versucht werden. In jedem Fall führt eine Membranfreilegung jedoch zu einem reduzierten Attachmentgewinn. Andere postoperative Komplikationen wie Schwellung, Rötung oder Suppuration können effektiv durch eine stringentere Infektionsprophylaxe (professionelle Zahnreinigung, evtl. systemische Antibiotika Gabe) behandelt werden.
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