Online-Magazin für die Zahnarztpraxis

Rechtliche Grundlagen der zahnärztlichen Therapie

Rechtliche Grundlagen der zahnärztlichen Therapie

Prinzipiell besteht in Deutschland eine Therapiefreiheit. Diese wird jedoch durch zahlreiche Vorgaben eingeschränkt. Insofern kann von einer „echten“ Therapiefreiheit nicht gesprochen werden, die zulässige Therapie bewegt sich in relativ engen Grenzen. Gründe dafür sind mannigfach: so gilt zunehmend, dass Rechte des (Zahn)Arztes zurücktreten müssen hinter Rechten der Patienten – dies ist nachvollziehbar. Die allgemeine Menschenrechtskonvention, die von der Bundesrepublik Deutschland mit unterzeichnet wurde, räumt dem Individuum das „Recht auf körperliche Unversehrtheit“ als ganz elementares Recht, das anderen überlagert ist, ein. In dieser Hinsicht handeln alle Staaten, die z.B. die Todesstrafe (noch) nicht als Verstoß gegen die UN-Konvention geächtet haben, rechtswidrig. Makaber dabei, dass die USA als wichtiges Mitglied der UNO dies bisher nicht nachvollzogen haben.

Parallel zu den UN-Vorgaben hat die EU als Staatenbund mit großer regulatorischer Kompetenz diese allgemeinen Bestimmungen weiter präzisiert, so dass z.B. sogar eine lebenslange Freiheitsstrafe als unvereinbar mit der Menschenrechtskonvention angesehen wird, was dazu führte, dass Deutschland seine Bestimmungen zur „Sicherheitsverwahrung“ anpassen musste. Lebenslanger Freiheitsentzug ist demnach unzulässig bzw. Jeder Freiheitsentzug unterliegt besonders anspruchsvollen Prüfkriterien.

Nach diesem Ausflug in die Rechtsphilosophie bzw. in die Grundlagen unseres geltenden Rechtssystems sollte leichter nachvollzogen werden können, weshalb z.B. eine Novellierung der Patientenrechte (Patientenrechtegesetz) erforderlich wurde. Die Justiz, vertreten durch die Richterschaft, die nach dem Gewaltenteilungsprinzip unabhängig ist, hat seit Jahren korrigierend eingegriffen, wenn es um Patientenrechte ging, da ein Richter neben deutschen auch und insbesondere die übergeordneten europäischen Gesetze beachten muss, zudem ist jeder Richter auch der Menschenrechtskonvention verpflichtet. Damit geht eine unübersehbare Einschränkung der Arztrechte bzw. der Therapiefreiheit einher. Beispielhaft sei hier genannt die Beweislastumkehr, die stattgefunden hat: musste bislang ein Patient einen Behandlungsfehler nachweisen (was eine sehr große Hürde bei Schadensersatzprozessen bedeutet), so genügt nunmehr schon ein Anfangsverdacht auf einen Therapiefehler und der (Zahn)Arzt muss nachweisen, dass er/sie fehlerfrei gearbeitet hat. Damit werden Gutachter, die im Zweifel darüber entscheiden, ob ein Fehler anerkannt wird oder nicht, immer wichtiger. Hinzu kommt, dass die Prinzipien einer EBM (Evidence Based Medicine) immer stärker zur allgemeinen Therapierichtlinie erhoben werden – im Klartext: was nicht wissenschaftlich nachgewiesen ist darf nicht gemacht werden. Dabei finden wir ein mehrstufiges Evidenz-Klassen-Modell, d.h., es gibt einen milden Druck, nur Therapien nach einem höheren Evidenzgrad anzuwenden.

Damit sollte klar geworden sein, dass Patienten stets einen Anspruch auf eine bestmögliche Therapie haben (gemessen am EBM-Grad), unabhängig von ihrem Versicherten-Status oder ihrer Zahlungsfähigkeit. Im Streitfall obsiegt deshalb zunehmend der vermeintlich Schwächere, der Patient.

Diametral dazu wirkt die vor Jahrzehnten eingeführte Ökonomisierung des Gesundheitswesens. Anstatt das Patientenwohl in den Mittelpunkt zu stellen (wie das von der Justiz getan wird) befasst sich der Gesetzgeber – egal aus welcher Partei die Regierungen auch immer kommen – zunehmend einseitig nur noch mit der Kostenfrage. Anscheinend fühlt man sich von Seiten der Politiker sicher, dass die Justiz schon dafür sorgen wird, dass negative Folgen des Sparwahns bezüglich Versorgungsqualität verhindert werden. Bislang scheint diese Rechnung ja auch aufgegangen zu sein.

Ausfluss der Ökonomisierung sind gebühren- bzw. Honorarordnungen, die das Wort „Honorar“ im Wortsinn zur Bedeutung kommen lassen. Viele Positionen sind geradezu absurd gering bewertet, was die Erfüllung der (zahn)ärztlichen Pflichten zunehmend erschwert. Gleichzeitig wird versucht, via immer enger gefasster Vorgaben und Kontrollen die Versorgung aufrecht zu erhalten.

Ausdruck dieses Regelwerks sind z.B. nicht etwa die wissenschaftlich fundierten Therapieleitlinien – an die man sich jedenfalls trotzdem halten muss, da sie eine Rechtsverbindlichkeit haben, Richter orientieren sich im  Streitfall daran -, sondern insbesondere die Richtlinien, die für die Versorgung nach SGB V gelten.

Prinzipiell ist dem gesetzlich Versicherten (etwa 90 Prozent der Bevölkerung) jede Therapie als „Sachleistung“ anzubieten, eine Abdingung ist nur in Ausnahmefällen (die genau beschrieben sind) oder auf besonderen Wunsch des Patienten (was eine besonders sorgfältige Dokumentation erfordert, dies nachzuweisen) zulässig. Daneben dürfen Leistung en, die nicht im Sachleistungskatalog (BEMA) gelistet sind und trotzdem die Kriterien der EBM erfüllen, privat nach GOZ liquidiert werden. Hier bewegen wir uns in einer Grauzone: was darf als Nicht-Sachleistung („IGEL“) – außer Prothetik, da wurden Regelungen getroffen –  überhaupt angeboten werden?  Und wie erfülle ich die strengen Auflagen hinsichtlich Aufklärungs- bzw. Beratungspflicht? Wie muss ich dokumentieren? Es scheint, dass es auf diesem Gebiet einen gewissen Aufklärungsbedarf gibt, so zumindest können nachvollzogene Auseinandersetzungen (dokumentiert in Gerichtsverfahren)  gedeutet werden. Eindeutige Verstöße mit Verurteilungen des Zahnarztes führen seltsamerweise zu teuren Berufungsverhandlungen, obgleich doch an sich die Sachlage offensichtlich ist, und erst ganz zum Schluss nimmt dann der Zahnarzt seinen Einspruch zurück und fügt sich in die angeordnete Strafe, wobei man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass es kaum Schuldbewusstsein oder Einsicht in das Unrechtmäßige des Tuns gibt. Man nimmt dann eben die Strafe hin ohne tiefere Einsicht oder den Willen, zukünftig anders zu handeln. Dies lässt sich kaum anders interpretieren als dass es kein ausgeprägtes Grundwissen zu den rechtlichen Grundlagen gibt.

Dies kann man auch schon in Verfahren wegen „Unwirtschaftlichkeit“ vor unteren Instanzen – Prüfungsstelle, Beschwerdestelle, beide angesiedelt bei der zuständigen KZV – oder Disziplinarverfahren vor der Zahnärztekammer beobachten. Die angeschuldigten Zahnärzte fallen förmlich aus allen Wolken wenn Ihnen ihre Verstöße vorgehalten werden.

Konzentrieren wir uns auf die Therapie der GKV-Versicherten. Hier sind die „Richtlinien“ bindend, ausgearbeitet von KZV und Spitzenverbänden der Krankenkassen. Daneben gilt der BEMA, das Gebührenordnungsverzeichnis für zahnärztliche Behandlungen. Zusätzlich haben die KZVen einige Sonderbestimmungen herausgegeben (z.B. endodontische Behandlungen und deren Wirtschaftlichkeit betreffend), die ebenfalls Vorschriftscharakter aufweisen.

All diese  Vorgaben sind frei zugänglich für Jedermann, also auch für Patienten. Das Internet macht es möglich. Auch wenn die Materie kompliziert ist, darf man nicht davon ausgehen, dass Patienten nicht informiert wären. Denn, auch die Krankenkassen informieren ihre Versicherten, je nach Engagement der jeweiligen Mitarbeiter. Hält man sich nicht an die Vorgaben, wandelt man auf dünnem Eis, das jederzeit brechen kann. Korrekt ausgedrückt: Verstöße führen nicht selten zu Disziplinarverfahren, die äußerst unangenehme Folgen haben können. Auch sind nachträgliche Honorarkürzungen (Regresse) keine Seltenheit, die Prüfungsdichte hat mit der zunehmenden Qualifikation der damit befassten Mitarbeiter der Kassen sowie mit der stetig steigenden Erfolgsrate (ausgedrückt im Umfang der damit verbundenen Honorarrückforderungen) stetig zugenommen.

Es ist deshalb dringend anzuraten, sich mit der Materie enger auseinanderzusetzen.

Z.B. finden wir unter § 1 Abschnitt B „allgemeine Behandlungsrichtlinien“ folgende Passage:

  1. I.     Befunderhebung und Diagnose einschließlich Dokumentation
  2. 1.    Zur vertragszahnärztlichen Versorgung gehören die Befunderhebung und Diagnose sowie ihre Dokumentation. Inhalt und Umfang der diagnostischen Maßnahmen sind in zahnmedizinisch sinnvoller Weise zu beschränken.

Die zahnärztlichen Maßnahmen beginnen mit Ausnahme von Akut- oder Notfällen grundsätzlich mit der Untersuchung zur Feststellung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten. Diese Untersuchung soll in regelmäßigen Abständen wiederholt werden. Sie umfasst diagnostische Maßnahmen um festzustellen, ob ein pathologischer Befund vorliegt, oder ob weitere diagnostische, präventive und/oder therapeutische Interventionen angezeigt sind.

Bei der Untersuchung sollen die klinisch notwendigen Befunde erhoben werden. Sie umfasst auch ggf. die Erhebung des Parodontalen Screening-Index (PSI). Bei Code 1 und 2 liegt eine Gingivitis, bei Code 3 und 4 eine Parodontitis vor.

Die Häufigkeit der o.a. Untersuchungen regelt wiederum der BEMA. Was Jedem in der zahnärztlichen Routine als altbekannt vorkommen mag gibt trotzdem immer wieder Grund für Beanstandungen in Prüfverfahren. Typisch ist die Feststellung einer Unwirtschaftlichkeit bei der Abrechnung einer Gebühr nach BEMA Ä1 vor der 01; diese ist prinzipiell zulässig (siehe oben), dies bedarf jedoch einer (zulässigen) Begründung, die häufig in der Dokumentation fehlt. Ebenso wird nicht selten von den Prüfern beanstandet, dass PAR-Therapien beantragt bzw. abgerechnet erden, ohne dass sich in den Aufzeichnungen etwas finden lässt über eine Vorgeschichte, ausgedrückt als Veränderung des erhobenen PSI.

Teurer werden  Fehler hinsichtlich Röntgendiagnostik: 

Da insbesondere Röntgenübersichtsaufnahmen (OPG etc.) gerne und oft bei Neupatienten angefertigt werden und doch einiges an Honorar kosten, wird dabei besonders gerne gekürzt. Fälle, in denen ein Drittel (!) der abgerechneten Aufnahmen dem nachträglich eingesetzten Rotstift zum Opfer fallen sind in Wirtschaftlichkeitsprüfungen schon fast die Regel. Nachträgliche Begründungen im Prüfungsverfahren sind, obgleich durchaus zulässig, meist nicht wirkungsvoll. Deshalb ist es allemal besser, bereits im Krankenblatt („Karteikarte“) so dokumentieren, dass „prophylaktisch“ schon mögliche Regressforderungen leichter abgewehrt werden können.

Dazu gehört z.B., dass man ein OPG eben einträgt „Notfall, unklare Lokalisierung von Schmerzen“ (abgeleitet von den RiLis!), oder im „normalen“ Behandlungsfall tatsächlich die Aufnahmen vom Vorbehandler anfordert und dann neue anfertigt mit der Begründung, man müsse eine Verlaufskontrolle vornehmen (ist zulässig!), oder (falls es stimmt) die Qualität sei nicht ausreichend, oder was man auch immer den Richtlinien als zulässige Begründungen entnehmen kann.

Eigentlich ist es ganz einfach: man darf (fast) alles, muss nur richtig begründen und vor allem dokumentieren.

Die Dokumentation ist in den meisten Prüfverfahren die auffälligste Schwachstelle. Hier fehlen (typisch!) z.B. bei der „sk“ Angabe des Zahnpaars sowie der vorausgehenden Diagnose (z.B. Okklusionsstörung). Es ist ja richtig dass mit der Erteilung der Approbation dem (Zahn)Arzt das Vertrauen entgegengebracht wird nur das zu tun was richtig und notwendig ist. Dieses Vertrauen haben jedoch die Prüfgremien seit langem nicht (mehr), wohl wissend, dass die Ökonomisierung des Gesundheitswesens eben auch nicht vor der (zahn)ärztlichen Ethik halt macht. So wie mittlerweile nachgewiesen werden konnte, dass alleine aus ökonomischen Gründen im Krankenhaus Behandlungen (Operationen) unnötig vorgenommen werden, lässt dies sicherlich auch auf den ambulanten Sektor übertragen.  Deshalb werden Kontrollen auch für erforderlich gehalten.

Bei Verfahren wegen Unwirtschaftlichkeit vor den Prüfungsstellen hat sich gezeigt, dass diese o.a. Richtlinien häufig bei den geprüften Zahnärzten nicht oder nur unvollständig bekannt waren. Deshalb scheint es angezeigt, hier explizit nochmals darauf zu verweisen: Verstöße gegen diese RiLis führen automatisch zu Honorarkürzungen, da die Kassen mittlerweile anscheinend ausgefeilte Prüfinstrumente zur Verfügung haben um solche Abweichungen zu finden.

Diametral zu den RiLis stehen nun – leider – die Vorgaben der Leitlinien sowie des allgemeinen Richterrechts bzw. des Patientenrechtegesetzes.

Selbstverständlich sind auch Seitenzähne mit endodontischen Problemen erhaltensfähig, nur eben nicht im Rahmen der GKV-Sachleistung. Daraus folgt in logischer Konsequenz, dass eine Beratung/Aufklärung (der BGH: „Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag“) jedenfalls zu erfolgen hat mit Hinweis auf die Möglichkeit einer Zahnerhaltung außerhalb der GKV. Analog gilt dies auch für alle anderen Teilgebiete des BEMA. Beispielsweise ist den RiLis gemäß Amalgam als plastisches Füllungsmaterial für Seitenzähne durchaus angezeigt. Ein Anrecht auf eine Kompositfüllung hat der Patient/GKV-Versicherte nur dann, wenn die Ausnahmebestimmungen des BEMA erfüllt sind (Amalgamallergie, nachgewiesen im Epikutantest, chronische Niereninsuffizienz). Dass dies zu Auseinandersetzungen mit den Patienten führen mag ist unbestritten. Vernachlässigt man jedoch die Berücksichtigung der Vorgaben, so trägt der Zahnarzt das alleinige Risiko. Empfehlenswerter bist es allemal, wenn durch entsprechende Information (da können Videos, Infoblätter, usw. unterstützend Verwendung finden) vorab Klarheit geschaffen wird, was Sachleistung ist und was „privat“ berechnet werden muss.

Die Komplexizität die dargestellt wurde ist nicht auflösbar, man kann nur versuchen, sich entsprechend darauf einzustellen. Korrekte Aufklärung, korrekte Dokumentation und der Mut, auch möglicherweise unangenehme Gespräche mit Patienten zu führen sind obligat, um hässliche Folgen des Unterlassens vorzubeugen (Prüfverfahren, Disziplinarverfahren, Strafverfahren, usw.). Und: für den Fall des Falles, dass eben doch ein Verfahren droht bzw. eingeleitet wurde, sollte man sich sachkundiger Hilfe versichern. Anwälte, die diese Materie beherrschen, sind uns bisher nicht bekannt geworden, wir meinen, dass es zahnärztlichen Sachverstandes bedarf, um hier zu assistieren. Es gibt ja auch die Ausnahmereglung, dass in Verfahren vor der KZV oder Kammer e4ine Vertretung durch einen Kollegen zulässig ist (im Gegensatz zum Verbot einer rechtlichen Beratung oder Unterstützung im allgemeinen und Anwaltszwang), die sinnvoll genutzt werden sollte.

Wo man solche Hilfestellung bekommen kann? Wenden Sie sich an die Redaktion oder gleich an www.securdent.de, da werden Sie an Spezialisten weitergeleitet.

Wir verwenden Cookies, um den Seitenablauf für den Benutzer optimal zu steuern. Informationen, die wir über diese Cookies erhalten, werden ausschließlich zur Optimierung unseres Webangebotes auf dieser Homepage verwendet und nicht an Dritte weitergegeben. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen