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Praktische Erfahrungen mit Cerasorb

Praktische Erfahrungen mit Cerasorb

Primäre und simultane Sinusboden-Augmentation mit CERASORB –
eine Bilanz nach mehr als zehn Jahren Praxiseinsatz

Dr. Edgar Spörlein,  Fachzahnarzt für Oralchirurgie, Geisenheim im Rheingau

 

In den letzten 10 Jahren haben wir alle, d.h., Zahnärzte, Oralchirurgen und MKG-Chirurgen, viel dazugelernt in unserem Bemühen, unsere Patienten optimal und nach aktuellem Stand der Wissenschaft zu versorgen.

Ausgangspunkt war und ist der Zahnverlust, der eine möglichst den Patientenbedürfnissen entsprechende prothetische Versorgung nach sich zieht. Da die schleimhautgetragene Prothese stets als „Prothese“ empfunden wird – zumindest vom Großteil der Patienten – gab es schon sehr früh Bemühungen, Zahnersatz in Form implantatgetragener  Rekonstruktionen einzugliedern. Hier gab und gibt es jedoch starke Limitierungen: um erfolgreich implantieren zu können bedarf es eines stabilen und ausreichend dimensionierten Implantatlagers, also genügend Knochen, um darin unser Implantat sicher verankern zu können. Implantate sind anders als Zähne nicht über das Parodont, sondern ankylotisch im Knochen verwachsen. Bei Knochen minderer Qualität und/oder ungenügender Dicke wird die Implantation deutlich erschwert. Insbesondere im Oberkiefer finden wir jedoch oft Knochen geringerer Belastbarkeit (im Vergleich zu mandibulären Strukturen) und meist in nur sehr geringen Stärken vor. Dies ist durch zwei wesentliche Umstände bedingt: zum einen atrophiert der Knochen von oral her, verstärkt durch Extraktionstraumata und schleimhautgetragene Prothesen (Druckatrophie). Zusätzlich finden wir einen Rückgang des Knochens von innen her durch die Pneumonisierung der Kieferhöhlen mit der Folge, dass nach relativ kurzer Zeit post extraktionem nur noch dünne Knochenlamellen zwischen Kieferhöhle und dem oralen Cavum  existieren. Das macht eine Implantation unmöglich.

Schon relativ früh hat man deshalb Techniken entwickelt, um auch im Oberkiefer adäquaten Zahnersatz herstellen zu können. Die heute wohl wichtigste dieser Techniken ist der Sinuslift, eine bewährte und sehr gut prognostizierbare Methode (Wallace et al, 2003, Del Fabbro et al, 2004, Froum et al, 2006, Smiler et al. 1992; Zinner & Small 1996; Block et  al.  1998). Ursprünglich beinhaltete das Therapieprotokoll des Sinuslift zur internen Augmentation  die  Verwendung autologen Knochens, der in der Oralregion gewonnen und in Form von Knochenspänen eingesetzt wurde (Froum et al, 2006). Dies ist jedoch mit massiven Nachteilen verbunden:  man benötigt eine zweite OP (an der Entnahmestelle), und das verlängert die Operationszeiten sowie die Heilungszeiten und sogar das Morbiditätsrisiko (Froum 2006). Deshalb wurden Augmentationsmaterialien entwickelt, die den Organismus nicht zusätzlich belasten. Hier sind insbesondere zu nennen Materialien, gewonnen aus homologem oder bovinem Knochen, und vollständig synthetische Materialien, wie z.B. Cerasorb. Untersuchungen haben zeigen können, dass augmentierter Knochen die gleichen Ergebnisse für Implantationen bringt wie natürlich gewachsener Knochen ohne Augmentation  (Wallace & Froum 2003;  Del  Fabbro  et  al.  2004;  Aghaloo  &  Moy 2007;  Chiapasco    et al. 2009). Der Einsatz von autologem Knochen für den Sinuslift bringt also keine nachweisbaren Vorteile. Damit war für mich als Praktiker klar: wenn ich durch den Einsatz eines zuverlässigen synthetischen Augmentationsmaterials keine Nachteile  für den Patienten, jedoch massive Vorteile (kürzere OP, geringere postoperative Beschwerden) bei gleichem klinischen Output erhalte, ist für mich der Einsatz dieses Materials zwingend.

Seit nunmehr 11 Jahren setze ich in meiner Praxis ausschließlich nur noch Cerasorb, ein synthetisches TCP, ein, mit bestem Erfolg.   Dies soll anhand praxiseigener Statistiken belegt werden.

 73 Implantate / 36 Pat. externer Sinuslift (Fensterung im Vestibulum)

 56 Implantate / 42 Pat. interner Sinuslift (durch die Implantatbohrung)

   8 Implantate /   4 Pat. primärer Sinuslift

137  Implantate / 82 Pat.  Gesamtzahl an in die Studie aufgenommene Patienten im Zeitraum  6.2009 – 5.2011

Mit dem neu angeschafften DVT-Gerät (digitale Volumen Tomographie) habe ich ganz andere diagnostische Möglichkeiten und dadurch auch eine Änderung der Therapie gewonnen. Deshalb habe ich keinen Sinn darin gesehen, alte Fälle zu vergleichen und beschränke mich deshalb nur auf die, bei denen die DVT eingesetzt wurde. Durch die veränderte Diagnostik und den konsequenten Einsatz einer Bohrschablone in schwierigeren Fällen  habe ich auch weniger Notwendigkeiten gesehen für einen primären Sinuslift. Meist fanden sich Lokalisationen mit genügend Knochen für die Implantatinsertion mit ausreichender Primärstabilität, der eventuelle Sinuslift wurde dann in gleicher Sitzung erbracht. Die Präzision der Volumentomografie hat uns in der Praxis erlaubt, auch bei einem objektiv geringen Knochenangebot konservativer als bislang vorzugehen. Hat das Therapieprotokoll noch im Jahr 2000 eine Restknochenhöhe von 4 mm den primären Sinuslift und eine Höhe ab 5 mm die gleichzeitige Implantation mit Sinuslift vorgesehen gehabt, so  konnten wir ab 2011 noch bei einer Restknochenhöhe von nur 3 mm die parallele Vorgehensweise einführen, für Arzt und Patient ein gewichtiger Vorteil – die Zweitoperation sowie die Wartezeit entfallen dabei. Auch die Möglichkeit des internen Sinuslifts konnte ausgedehnt werden auf mindestens 6 mm Restknochenhöhe (vorher wurde dies erst ab 8 mm als möglich angesehen).

 

 

Wie das Röntgenbild mit der Einzeichnung der zu setzenden Implantate zeigt lässt sich vorab sehr gut planen, vorausgesetzt, man bedient sich moderner bildgebender Verfahren. Wir verwenden DVT.

Fragen, die sich jeder implantierende Zahnarzt in der Planung stellen sollte:

ì  Welche Diagnostik?

ì  Wann interner, wann externer Sinuslift, wann primärer Sinuslift?

ì  Welche Arbeitstechnik?

ì  Welcher Implantattyp?

ì  Autologer Knochen wann und woher?

ì  Knochenersatzmaterialien?

ì  Wann und wo Membran?

ì  Therapiekontrolle?

ì  Wann Eröffnung?

 

Tipp: die Fensterung der Kieferhöhle sollte unbedingt rund, ohne Ecken, erfolgen, scharfe Kanten sind zu vermeiden. Es empfiehlt sich die Verwendung stumpfer Instrumente zur Präparation des Fensters. Sehr brauchbar erweist sich die Piezochirurgie, mit der eine kantenlose Präparation der Fensterung einfacher gelingt (siehe Abbildungen: a.  Präparation aus 2000 mit rotierenden Instrumenten, b: mit Piezochirurgie).

 

 

 

Die Gewinnung von für die Augmentation eingesetztem Knochen sollte meines Erachtens auch aus der gleichen Region erfolgen. Das Periost sollte intakt bleiben, die weit laterale bzw. mediale Entlastung genügt vollkommen. Die Knochenspangewinnung erfolgt mit dem Safescraper (RIEMSER Arzneimittel AG), der den Vorteil hat, dass man gleich in seinem Auffangbehälter CERASORB®  zugeben kann, das erleichtert die Materialapplikation enorm (Abb a-c).

 

 

 

 

Die Augmentation führen wir mit einer Mischung aus Cerasorb und gewonnenen Knochenspänen durch. Dies resultiert aus der Erfahrung – mir erscheint es einfach (noch) sicherer, neben dem synthetischen Augmentat auch körpereigenes Material einzubringen, aber, auch dabei ist eine Anpassung des Therapieprotokolls an die Erkenntnisse der Wissenschaft vorgesehen. Wenn die vorliegenden Studien (es deutet sich an, dass der Einsatz von reinem Cerasorb sogar bessere Ergebnisse bringt) sich weiter bestätigen, werden wir auf die Beimischung von Knochenspänen wohl zukünftig verzichten.

Die Besonderheiten des Sinus maxillaris bedingen besondere Vorgehensweisen: die Ausdehnung der Kieferhöhle hat meist auch eine Lamellenbildung zur Folge, der Sinus stellt sich (in der Volumentomographie kann man dies recht gut differenzieren) als wabenartig unterteilt dar. Die dünnen Knochenlamellen erzeugen mehrwandige Knochenhöhlen mit sehr begrenztem Raumangebot. Hier gilt es, das Augmentationsmaterial so einzubringen, dass es zu keiner Perforation der Schneiderschen Membran kommt.

 

Auf dem Bild stellt sich deutlich die wabenartige Struktur der Kieferhöhle dar. Die Einbringung des Augmentats (hier: Cerasorb M) sollte diesem Umstand Rechnung tragen, jedoch das Implantat vollkommen bedecken und  röntgenologisch kontrolliert werden.

Wie wesentlich eine Kontrolle ist, zeigen die nachstehenden Abbildungen:

 

 

A: gute allseitige Bedeckung durch Augmentat, b: zu geringe Abdeckung mit der Folge einer Exposition der Implantatspitze in den Sinus.

Tipp: Für die Augmentation in der Kieferhöhle sollte man einen kleinen Überschuss einbringen. Damit vermeidet man solch ärgerliche Situationen wie oben dargestellt. Auf zusätzliche Einbringung von Membranen kann meist verzichtet werden.

Unser Therapieprotokoll seit 2011 sieht nur noch den Einsatz selbstschneidender Implantate mit ausreichender Primärstabilität vor, dies wurde bis dahin anders gehandhabt. Damit konnten die Indikationen (minimale Knochenstärke) sowie die Belastungen (einzeitige statt zweizeitige OPs) für die Patienten optimiert werden.

Eine wesentliche Verbesserung haben wir auch bei der Gewinnung von autologen Knochenspänen erreicht: wurde 2000 noch autologes Material aus anderen Regionen gewonnen, so gilt seit 2011 die Regel, nur noch aus der unmittelbaren Region sowie aus dem Ausreiber Knochenspäne zu generieren.

 

 

Vorteil der Anpassung des Therapieprotokolls – a: multiple Entnahmestellen mit mehreren OP-Wunden, b: Knochenspan lediglich vom Trepanbohrer ohne zusätzliche Läsionen.

Unbedingt bedacht werden muss, dass die Regeration bzw. Vaskularisation des Augmentats nur dann geschieht, wenn eine ausreichende Blutdurchdringung vorhanden ist, im trockenen Augmentat hätte man lediglich eine Volumenverfüllung erreicht. Der Zusatz von venösem Eigenblut ist also manchmal unverzichtbar.

Das Thema Aufklärung kann man gar nicht groß genug herausstellen. Hier gibt die Rechtsordnung eindeutige Vorgaben, an die wir uns halten müssen. Aber, die Patienten sind heute informierter als früher, deshalb muss auch auf das Vorwissen Rücksicht genommen werden (Beispiel: Berichte in den Medien über Augmentationsmaterial gewonnen aus der Leiche oder dem Tier), hier erweist es sich als vorteilhaft, auf ein rein synthetisches Material, wie Cerasorb, verweisen zu können. Organischen Materialien werden größere Risiken zugeschrieben. Patienten fragen häufig gezielt nach synthetischen Knochenersatzmaterialien ohne die Risiken. Ich nenne deshalb auch Produktnamen (Cerasorb / Cerasorb M) im Aufklärungsbogen, damit sich der Patient nach dem Beratungsgespräch in Ruhe dazu informieren kann. Und das tun die Patienten auch! Mit Cerasorb fühle ich mich auf der sicheren Seite: Ich mache seit 18 Jahren Sinuslift und seit 2000 verwende ich dafür ausschließlich Cerasorb bzw. Cerasorb M ; dabei habe ich weder Wundheilungsstörungen noch Implantat-Verluste erlebt.

Dies deckt sich mit aktuellen wissenschaftlichen Publikationen („Sinuslift und enossale Implantation: Eine retrospektive Zehnjahresstudie.“ Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Hohen Medizinischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.  Andrea Cramer, Bonn, 2007). Auch in dieser umfangreichen Studie konnte die Sicherheit des Verfahrens bestätigt werden.

Nach eigener Erfahrung ist der Einsatz größerer Mengen autologen Knochens kontraproduktiv und führt zu schlechteren Ergebnissen, wir nehmen maximal 20 bis 25 %.  Im Jahr 2000 setzten wir noch 50 % Knochenspäne zu – die Reduktion auf maximal 25 % hat keine Verschlechterung, sondern eher eine Verbesserung der Ergebnisse bewirkt. Ein Therapieprotokoll bei guten Ergebnissen zu ändern fällt nicht leicht, jedoch werden wir praxisintern umzusetzen suchen, was die Wissenschaft uns vorgibt, und da zeigen aktuelle Studien, dass autologer Knochen zu mehr Resorption an Augmentat führt. Bei Verifizierung dieser Ergebnisse an eigenem Patientengut werden wir unser Therapieprotokoll entsprechend anpassen.

Tipp: Membrananwendung nur bei Perforation, im Normalfall wird darauf verzichtet. Das haben wir seit 2000 auch geändert.

 

 

Abb. a: Augmentation mit Membran

Die Implantate werden schon nach 2,5 bis 4 Monaten freigelegt, dann wirkt die Belastung durch den Sulkusformer noch verstärkt knochenbildend (Zeitpunkt der Freilegung nach eigener Fallstatistik).

 

Die Versorgung mit ZE kann dann weitere ca. vier Wochen später erfolgen.

 

Abbildungen: interner Sinuslift

 

 

Die Röntgenaufnahmen zeigen die ideale Anpassung des Augmentats an das inserierte Implantat.

 

Abb. interner Nasenbodenlift  – Sinuslift, röntgenologische Kontrolle.

Timetable beim internen Sinuslift:

 

Fazit:

Der Trend bei Implantationen geht immer mehr in Richtung Sofortversorgung bzw. kurze Wartedauer, und einzeitige statt zweizeitige Operationen überwiegen immer mehr. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse erfordern eine stetige Anpassung des eigenen Therapieprotokolls, wie oben dargestellt. So kann alleine die Anschaffung eines 3D-Röntgengeräts eine totale Änderung von Diagnostik und Therapie bewirken, wie im eigenen Beispiel veranschaulicht. So haben wir durch die verbesserte Diagnostik viel mehr Indikationen für interne Sinuslifte sehen können, was die Zahl primärer Sinuslift-OPs drastisch reduziert hat (immer auf Basis eigener Fälle im 10-Jahresvergleich gesehen).  Und die Beimengung autologen Materials haben wir in  diesem Zeitraum von 50 auf unter 25 Prozent reduziert, Tendenz weiter sinkend. Dabei konnten wir in diesen 10 Jahren die Zeiten bis zur Freilegung der Implantate kontinuierlich verkürzen. Was wir ebenso beobachten konnten ist die Tatsache, dass Patienten immer informierter sind und eine qualifizierte Beratung erwarten, wobei bei der Diskussion über die einzusetzenden Materialien – hier trifft stets der Patient die letzte Entscheidung – rein synthetische Materialien bevorzugt werden, so die eigenen Erfahrungen. Dies erlaubt es uns, kein höheres unkalkulierbares Risiko bei der Auswahl des Augmentationsmaterials einzugehen.

 

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