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Periimplantitis: unterschätzte Risiken

Periimplantitis vs. Parodontitis – Sind Implantate weniger gefährdet?

1.     Einleitung

Aktuell werden in Deutschland pro Jahr weit über eine Million Zahnimplantate gesetzt, so die Aussagen der Verbände. Damit stellt die Zahnersatzversorgung mittels künstlicher Zahnwurzeln – Implantaten – eine der erfolgreichsten Therapien innerhalb der Zahnheilkunde dar.  Gegenüber der noch größeren Zahl an Extraktionen (insgesamt rund 10,5 Mio Extraktionen pro Jahr, KZBV Jahrbuch) scheint dies immer noch wenig und verspricht weitere enorme Wachstumsraten. Allerdings hat der Implantate-Boom auch – wie jeder Boom – Schattenseiten. So wird teilweise die Indikation vollkommen überzogen, und, es werden nicht selten Patienten ohne kritische Voruntersuchung versorgt, dies dann von möglicherweise auch noch relativ unerfahrenen implantologisch tätigen Zahnärzten. Diese Gemengelage führt – trotz der relativen Sicherheit des Verfahrens – immer wieder zu Fehlschlägen, die dann von erfahreneren Kollegen mühsam ausgebügelt werden müssen.

2.     Komplikationen

Eine typische Komplikation, die leider nicht unmittelbar, sondern zeitlich verzögert eintritt, ist eine entzündliche Veränderung der marginalen Weich- und Hartgewebe des Implantatlagers, die „Periimplantitis“. Die Prävalenz der periimplantären Entzündungen und der damit verbundenen Gewebsverluste ist ebenso differenziert zu betrachten wie man dies bei der Parodontitis beachten muss.

Die Ähnlichkeit mit der Parodontitis ist unübersehbar und auch rational gut nachvollziehbar: beide, Zahn (Parodont) und Implantat (periimplantäre Mucosa bzw. Kieferknochen, man sollte sich auf den Begriff „Periimplant“ einigen) stellen eine Perforation der Mucosa dar, die stets das Potential für ein Eindringen der Mundhöhlenkeime in den Knochen beinhaltet. Nur ein dichter Verschluss der Schleimhautmanschette – egal ob um Zahn oder Implantat – schützt den Kieferknochen vor der durch die Keiminvasion ausgelösten Infektion.  So macht es Sinn, die auf das Weichgewebe beschränkte periimplantäre Mukositis und die auf den Knochen übergegangene Periimplantitis (periimplantäre Ostitis) unterschiedlich zu betrachten, wobei – wieder eine analoge Situation – eine periimplantäre Ostitis stets auf einer vorausgehenden periimplantären Mucositis basiert. Dies ist analog der Parodontitis, die nie ohne vorher aufgetretene Gingivitis entstehen kann.

Einer der wichtigsten Unterschiede zwischen parodontalen und periimplantären Strukturen ist, dass Zahnimplantate zwar eine biokompatible, aber keine biologische Oberfläche besitzen. Bereits bei gesundem Zustand zeigen sich Unterschiede im umgebenden Gewebe. Diese sollten bei der Diagnostik beziehungsweise Erfassung des Entzündungszustandes von Implantat und Zahn besonders berücksichtigt werden.

Dabei ist die Bedeutung des Sondierungsblutens (BOP) für die Diagnose genauso wie die Therapie zu betonen. BOP ist die sicherste diagnostische Möglichkeit, parodontale bzw. periimplantäre Erkrankungen frühzeitig zu erkennen – im Rahmen eines parodontalen Screenings sollte dies bei jeder Routineuntersuchung genutzt werden. Zusätzlich zur 01 bzw. 001 sollte deshalb stets der PSI erfasst werden. Und dabei sind keinesfalls Implantate zu vergessen, auch wenn diese scheinbar fest und gesund im Knochen stehen.

3.     Epidemiologie

Jeder zwanzigste Zahnersatz in Deutschland ist derzeit ein Implantat, so der aktuelle Bericht zur Mundgesundheit des Robert Koch Instituts. Zudem weist der Bereich der Implantologie aktuell ein Wachstum von 20 Prozent auf. Die zunehmende Relevanz für Zahnärzte spiegelt sich auch beim zahnärztlichen Nachwuchs wider: Erstmalig bietet die Universitätszahnklinik Erlangen eine studienbegleitende Ausbildung in Implantologie an. Mit dem Abschluss sollen Zahnärzte dem Bedarf in diesem Tätigkeitsschwerpunkt gerecht werden (Kocher, 2010).

Eine detaillierte Untersuchung der Implantatversorgung im Rahmen der Vierten Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS IV) hat den Zusammenhang zwischen Schulausbildung und Gesundheit als Hinweis auf die sozioökonomische Lage der Studienteilnehmer verdeutlicht. Auch die SHIP-O-Studie (Study of Health In Pomerania) an der Universität Greifswald (Kocher et al, 2008) zeigt, dass die Lückensituation stark von der Schulbildung abhängt. Je schlechter die Schulausbildung ist, desto öfter liegen größere Lücken vor.

Um eine einigermaßen zuverlässige Prognose für einen Implantationserfolg bzw. für eine zu erwartende Periimplantitis abgeben zu können scheint es deshalb erforderlich, in der Anamnese nebst Habits (Rauchen, Alkohol, etc.) auch den sozioökonomischen Status sowie die Schulbildung zu erfragen. Und: bei sozial schwachen Patienten ist ebenso wie bei Rauchern, Alkoholabhängigen (regelmäßiger Alkoholgenuss ist auch bei geringen Mengen bereits als Sucht einzustufen) oder Diabetikern sowie anderen allgemeinmedizinisch Vorbelasteten  bereits bei der Planung von Implantationen ein enger Recall vorzusehen.

Die Frage einer  Implantation bei sozial schwachen Patienten sollte im Übrigen auch die Wirtschaftlichkeit berücksichtigen:  in einer jüngst in „Gerodontology“ publizierten Studie konnte gezeigt werden, dass Implantate kosteneffektiv sind. Über 20 Jahre liegen die mittleren Kosten für ein Implantat unter den Kosten für eine Brücke, so das Ergebnis. Das bedeutet: auch sozial Schwache können durchaus implantologisch versorgt werden (der BEMA sieht dies auch vor), sofern die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden.

3.1.0 Verbreitung Periimplatitis und Risikofaktoren

Es werden derzeit sehr unterschiedliche Zahlen diskutiert: Ferreira et al. (2006) geben  in 64,6 % der Fälle periimplantäre Mukositis und Periimplantitis in 8,9 % an. Roos-Jansåker et al. (2006) finden in 16 % der Patienten und 6,6 % der Implantate Periimplantitis, Zitzmann und Berglundh (2008), finden in einer Übersicht periimplantäre Mukositis bei 80 % der Patienten und 50 % der Implantate, Periimplantitis bei 28 bis 56 % der Patienten bzw. 12 bis 43 % der Implantate. Jung et al. (2008) geben bei Einzelimplantaten eine Periimplantitis in 9,7 % der Fällean. Salinas und Eckert (2010) finden bei Einzelzahnimplantaten 9,7 % weichgewebliche Entzündungszeichen inklusive Periimplantitis und bei 6,3 % der Patienten einen Knochenverlust über 2 mm. Nachdem eine große umfassende Erhebung im Ausmaß der DMS (Deutsche Mundgesundheitsstudie) fehlt, kann  man nur mutmaßen – aber, man könnte aufgrund der Parallelen zumindest eine Analogie zur Prävalenz der Parodontitis annehmen. Gassmann (2010) gibt zudem zu bedenken, dass die höheren Prävalenzdaten auf Patientenniveau (z.B. Ferreira et al) als die relevanteren zu betrachten seien.

Die hohen Erfolgsraten der Implantologie basieren auf einer relativ kurzen Beobachtungsdauer, die Problematik der periimplantären Entzündungen tritt jedoch meist relativ spät in einer schwereren Form ein, Berglundh (Schweden) gibt cá 13 bis 15 Jahre post OP an.

Eine besondere Problematik ergibt sich daraus, dass der implantierende Zahnarzt oft zu wenig Informationen über den Patienten erhält. Es ist ja durchaus üblich, dass Patienten zahnlos zum Implanteur kommen und den Grund des Zahnverlusts gar nicht wirklich kennen. Zahnverlust ist nach aktuellen Erkenntnissen (IDZ) durch Karies mit 29,7 Prozent, Parodontitis mit 28,5 Prozent, eine Kombination aus beiden mit 11 Prozent bedingt (angegebene Extraktionsgründe). Wir müssen also mit mindestens einem Drittel Patienten mit einer Parodontitis-Vorgeschichte rechnen.

Eine Parodontitis als Prädisposition für periimplantäre Entzündungen (Renvert und Persson, 2009) ist selbst nach Totalextraktion nicht eliminiert (Gassmann, 2010).  Bereits 2001 war dies auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DGP) in Lübeck ein Thema („Zahnerhalt oder Implantat“). Van Assche et al. (2009) und Cortelli et al. (2008) zeigten  eine Persistenz der mit Parodontitis assoziierten Keime in der Mundhöhle von Patienten mit Parodontitisgeschichte. Es wird deshalb vermutet, dass neben einer immunologisch bedingten Prädisposition für den Übergang der weichgeweblichen bakteriell verursachten Entzündung (Gingivitis/periimplantäre Mukositis) in die mit Knochendestruktion einhergehende Parodontitis/Periimplantitis auch deren mikrobieller Hintergrund bestehen bleibt (Gassmann). Ursachen und Entstehung periimplantärer Mukositis und Ostitis ähneln stark denen von Gingivitis und Parodontitis. So wird die gleiche mikrobielle Zusammensetzung ­ in den Biofilmen gefunden und es zeigen sich bindegewebsseitig vergleichbare, entzündungsbedingte zelluläre und molekularbiologische Vorgänge.

 

Eine Literaturanalyse von Esposito et al. (1998) sowie Lindhe und Meyle (2008) führen folgende biologische Faktoren für den Verlust osseointegrierter Implantate an:

  • Medizinischer Status des Patienten, speziell Diabetes
  • Parodontitis als Vorerkrankung,
  • Rauchen,
  • Knochenqualität,
  • Knochenaufbau,
  • Radiotherapie,
  • Parafunktionen,
  • Erfahrung des Operateurs,
  • Ausmaß des chirurgischen Traumas,
  • bakterielle Kontamination,
  • fehlende perioperative Antibiose – Eine systematische Übersichtsarbeit des Cochrane Instituts (Esposito et al. 2010) betreffend perioperative Antibiose zeigt eine Evidenz für den Einsatz von 2 g Amoxizillin vor dem implantologischen Eingriff im ortsständigen nicht augmentierten Knochen. Damit können postoperative Komplikationen signifikant reduziert werden,
  • „immediate loading“,
  • nicht gedecktes Vorgehen,
  • Anzahl der Implantate, die die Konstruktion tragen,
  • Implantatoberfläche, -charakteristik und -design
  • mangelnde Mundhygiene,

Dazu sollte in jedem Fall auch die prothetische Versorgung durch eine Suprakonstruktion als ätiologischer Faktor beachtet werden. Marxkors hat in einer größeren Studie ganz allgemein bei in der Praxis eingegliedertem Zahnersatz festgestellt, dass nur ganz wenige Arbeiten vollkommen mängelfrei waren – dies bestätigt sich auch nach den Erfahrungen der Gutachter.

Neben den Risiken aus dem Organismus stammend müssen deshalb bei der Ursachendiskussion zu Periimplantitis auch die Suprakonstruktionen kritisch gesehen werden:

  • Alle Parodontien bzw. Implantatabutments müssen stets einer Reinigung durch den Patienten zugänglich sein
  • Jeglicher subgingivaler bzw. unter Gingivahöhe beim Implantat zu liegen kommender Kronenrand ist eine Schwachstelle
  • Wichtiger als das ZE-Material ist die präzise Verarbeitung bzw. die Vermeidung von Randspalten
  • Abnehmbarer bzw. bedingt abnehmbarer ZE ist sicherer als festsitzender
  • Stufen (besonders beliebt bei  Implantatsuprakonstruktionen) bergen stets das Risiko von Schmutznischen
  • Minispaltphänomene sind möglichst zu vermeiden, ebenso Mikro-Beweglichkeiten
  • Da Plaque der Dreh- und Angelpunkt parodontaler bzw. periimplantärer Gesundheit ist sind Materialen bzw. Restaurationen zu bevorzugen, an denen ein Biofilm möglichst nicht oder nur langsam wächst (z.B. Keramik – dabei ist jedoch abzuwägen, ob eventuelle Pass-Probleme den Vorteil nicht eliminieren)

Bei sorgfältiger Beachtung der o.a. Kriterien kann auch in ungünstigen Konstellationen noch eine sehr hohe Erfolgsrate erwartet werden. Ein enger Recall, analog der Vorgehensweise bei Parodontitispatienten, ist dringend empfehlenswert, zumal es doch einen gravierenden Unterschied zwischen Parodontitis und Periimplantits gibt:  während bei der Parodontitis auffällige Rötungen und Spontanblutungen bei Berührungskontakt auffallen, bietet die Mucosa bei einer Periimplantitis ein relativ unauffälliges Bild. Nur die Sonde (bleeding on probing) kann hier zuverlässig Auskunft über den Gesundheitsstatuts geben, nebst regelmäßiger röntgenologischer Kontrolle. Quirynen et al. (2007) geben z.B. einen Implantatverlust von unter 3 % bei Beachtung der Erhaltungstherapie an.

3.1.1 Modifizierbare Risiken

Rauchen

 

Seit Mitte des letzten Jahrhunderts (!) ist bekannt, dass Rauchen der parodontalen Gesundheit schadet (Hetz,G:  Aktueller Stand der Parodontologie, Spitta-Verlag), und die Beweise dafür sind durch die zahlreichen Studien der letzten Zeit unwiderlegbar geworden (siehe auch Albander et al, 2000; Tomat und Asma, 2000, Bergstrom, 1989, Grossi et al, 1995). Auch sind Raucher schwerer therapierbar (Bostram et al 1998, Ah et al 1994). So sind regenerative Verfahren beim Raucher von wenig Erfolg gekrönt, ebenso sind Methoden des Weichgewebscraft oder Implantationen weniger erfolgreich als beim Nichtraucher (Van Dyke und Dave, 2005).  In einem Review über den Einfluss des Rauchens zeigen Baig und Rajan (2007) eine Verdoppelung des Risikos für den frühen Implantatverlust, schlechtere Erfolgsraten für Knochenaufbau und eine doppelt so hohe Misserfolgsrate von Implantaten mit Sinuslift. Nach Osseointegration zeigt sich bei Rauchern erhöhter Knochenverlust und eine höhere Periimplantitisprävalenz.

Diabetes

 

Zu den modifizierbaren Risiken zählt auch der Diabetes. Diabetes kann durch eine Verhaltensänderung (Gewichtsreduktion, körperliche Bewegung, Diät) meistens beherrscht werden, auch ohne Medikation. Dabei ist keine Heilung zu erwarten, jedoch eine Kontrolle, d.h., Diabetes kann in seinen Auswirkungen minimiert werden. Von Bedeutung ist eine Differenzierung zwischen Diabetes Typ I und Typ II. Dabei sind auch die diabetischen Parameter zu beachten:

 

  • Blutzuckerspiegel,
  • Dauer der Erkrankung,
  • Auftreten anderer Komplikationen bzw.
  • Folgeerkrankungen, etc.

 

Vom Parodontologen beim Diabetiker zu erhebende Befunde sind:

 

  • Gingivalindex,
  • Attachmentverlust,
  • Alveolarknochenverlust (siehe auch Tomar und Asma, 2000)
  • PSI (BOP, bleeding on probing)
  • PSI auch bei Implantaten.

 

In einer Metastudie (Literaturauswertung) fanden Kinane und Chestnutt 1997 eine enge Korrelation zwischen Diabetes und Parodontitis. Ist Diabetes schlecht eingestellt (nachweisbar über die regelmäßige Erfassung des Blutzuckerspiegels), so verschlechtern sich die klinischen Parameter der Parodontien (Guzman et al, 2003, Tsai et al, 2003, Tervonen et al, 1994, Cutler et al, 1999). Einen sehr direkten bidirektionalen Zusammenhang zwischen Parodontitis und Diabetes fanden Taylor et al 2001 sowie Nishimura et al 2003. Dabei konnte gezeigt werden, dass die Parodontitis ebenso einen Einfluss auf den Diabetes hat wie umgekehrt die Parodontitis eine typische Folge des Diabetes darstellt. Andere Forscher (Westfelt et al 1996, Tervonan und Karjalainen 1997) haben nachgewiesen, dass ein schlecht eingestellter Diabetes die Erfolgschancen einer PAR-Therapie deutlich mindert.

Dabei wird manchmal auch konträr diskutiert, ob ein Diabetes durch eine Entzündungskontrolle an Parodontien bzw. periimplantären Geweben positiv beeinflusst werden könnte. Die Wechselwirkung Diabetes/Parodontitis wird ja schon länger angenommen und in zahlreichen Studien untersucht, mit teilweise unsicheren Ergebnissen. Z.B. haben Venza et al. (2010) die proinflammatorische Genexpression bei Parodontitis- und Periimplantitispatienten untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, dass sowohl Patienten ohne Diabetes als auch mit gut kontrolliertem Diabetes Gemeinsamkeiten zeigten hinsichtlich der Expression proinflammatorischer Zytokine und Rezeptoren bei Periimplantitis und chronischer Parodontitis, aber auch Unterschiede, die eine Abgrenzung erlauben. Schlecht kontrollierter Diabetes führte in der Studie dagegen zu einer viel geringeren Ausprägung dieser Differenzen zwischen Periimplantitis und Parodontitis. Die Differenzierungsmöglichkeit mittels Zytokinen und Rezeptoren schient bei schlecht eingestelltem Diabetes nicht mehr gegeben. Bei Diabetes Typ II fanden die Autoren der o.a. Studie eine Beeinflussung der beobachteten Zytokine und Rezeptoren (Tumornekrosefaktor alpha (TNF), Interleukin-6 (IL-6), Interleukin-8 (IL-8) und der Chemokinrezeptoren CCR5 und CXCR3).

Die Art und Menge der Mikroorganismen, die für eine Parodontitis ursächlich sind, ist ebenfalls den modifizierbaren Risiken zuzurechnen.

Psychischer Stress kann auch als umweltbedingter Risikofaktor angesehen werden (Hugoson et al 2002, Mawhorter und Lauer 2001, Pistorius et al 2002, Wimmer et al 2002). Dies könnte mit einer vermehrten Produktion von IL-6 in Stresssituationen zusammenhängen, wie Kiecolt –Glaser et al 2003 vermutet haben. Es spricht jedoch auch einiges dafür, dass Individuen unter Stress weniger gute Mundhygiene betreiben und sich schlechter ernähren (Croucher et al 1997).

 

Die parodontale und periimplantäre Entzündungskontrolle sollte insbesondere bei Diabetikern und Rauchern sehr engmaschig organisiert werden.

Solche Untersuchungsergebnisse lassen den Schluss zu, man könnte auch bei Diabetikern – wenn der Diabetes gut eingestellt ist – implantieren, wenn die Implantatpatienten in engmaschigem Recall geführt werden. Der Verzicht auf Recallsitzungen wäre demgemäß auch bei kontrolliertem Diabetes nicht sinnvoll – wie im Übrigen generell eine Implantation ohne permanenten Recall wohl wenig empfehlenswert ist.

 

 

  • Nicht modifizierbare Risikofaktoren

Hier werden genetische Faktoren diskutiert  (Michalowicz et al 2000, Dowsett et al 2001, Rondoros et al 2001).

Wie Van Dyke und Serhan 2003 nach Auswertung einer großen Zahl an Untersuchungen publiziert haben, scheint die Destruktion des parodontalen Gewebes weniger von den Mikroorganismen selbst sondern von der Immunantwort des Wirts gesteuert zu sein. Dabei wird den neutrophilen Granulozyten die Schuld zugewiesen, und hier speziell den IL-1 Genotypen, wie Sokransky et al 2000 berichten. Die IL-1 wurden auch als beeinflussbar durch Rauchen und Diabetes entdeckt (Kornman et al 1997, Meisel et al 2002 und 2003). Meisel et al (2002) haben gezeigt, dass IL-1 bei Nichtrauchern keine negativen Auswirkungen auf die Parodontien haben, und Guzman et al haben 2003 eine Korrelation zwischen IL-1 und Diabetes zeigen können.

Glaubt man den Studien, so sind die „genetischen“ Faktoren zumindest in Bezug auf IL-1 ebenfalls den modifizierbaren, also selbst verschuldeten,  Risiken zuzurechnen.

Verdachtsmonente bestehen, dass es eine Korrelation zwischen fMLP und Fc Rezeptor polymorphkernigen Granulozyten geben könnte.

 

Die Osteoporose wirkt sich ebenfalls auf die Parodontien und Periimplante aus, sinkt doch bei Osteoporose die Knochendichte auch im Alveolarknochen (Van Dyke und Dave, 2005); hier wurden Zusammenhänge gefunden zwischen dem Verlust an Alveolarknochen und Osteoporose, nicht jedoch auch dem klinischen Attachment.

Auch das Alter wird als möglicher intrinsischer Faktor diskutiert (Grossi et al 1994 und 95). Jedoch sollte man den zunehmenden Verlust an parodontalen Strukturen weniger als direkten Einfluss des Alters sondern vielmehr als Kumulation mehrerer über die Jahre aufgebauter negativer Einflüsse ansehen, wie Genco 1996 publiziert hat. Dies gilt ebenso für Periimplante, wobei der typische Krater um Implantate meist der Mikromobilität der Abutments mit dadurch gefördertem Eindringen von Keimen geschuldet ist. Allerdings findet man auch einen generellen vertikalen Knochenabbau des Alveolarknochens, der auch an Implantaten bzw. deren Umgebung zu beobachten ist.

 

 

4.     Wechselwirkungen

Ein besonderes Risiko (Meyle 2009) ist, dass bereits bei leichtem Kauen beim parodontal Erkrankten 5 – 10 Minuten später Bakterien im Blut nachweisbar sind, also eine leichte Bakteriämie auftritt, die vom Schweregrad der PAR abhängig auch massiver sein kann. Dies gilt naturgemäß ebenso für das Periimplant.

Daraus können Sekundärinfektionen abgeleitet werden. Auch bei der routinemäßigen Mundhygiene (auch bei der PZR!) finden sich erhöhte Pegel an Entzündungsmediatoren in Sulkusflüssigkeit, Gingivagewebe und Blut. Eine nicht behandelte Parodotontitis oder Periimplantitis erhöht sogar die Mortalität (!) beim Diabetiker (Meyle). Ist die PAR tatsächlich therapiert, geht das Risiko auf Normalmaß zurück. Konkret gibt Meyle folgende Zahlen an:

eine unbehandelte Parodontitis hat ein 2,3 fach höheres Todesrisiko und ein 8,5 faches Risiko für ein Nierenversagen (beim Diabetiker) zur Folge.

 

Neben Diabetes stehen weitere Erkrankungsrisiken zur Diskussion:

Bei Zahnbehandlungen, wie Extraktionen, endodontischen Therapien, PAR-Therapien oder auch nur Zahnsteinentfernungen mit subgingivaler Beteiligung können Bakteriämien die Folge sein, dies ist in zahlreichen Untersuchungen nachgewiesen worden (z. B. I. Olsen et al, 2000, Baltch et al, 1977, Caroll et al, 1980, Debelian et al, 1995, Drinnan et al, 1990, Heimdahl et al, 1990). Das Team um Heimdahl hat gezeigt, dass nach Zahnbehandlungen (ebenso wie nach Tonsillektomie) sowohl aerobe als auch anaerobe Keime in die Blutbahn gelangen. In 100 Prozent (!) der Zahnextraktionen war dies nachweisbar, in 70 Prozent der Zahnreinigungen, in 55 Prozent der operativen Weisheitszahnentfernung sowie in 20 Prozent von Endodopntiebehandlungen; in 55 Prozent der doppelseitigen Tonsillektomien wurde ebenfalls eine Bateriämie festgestellt. In weniger als nur einer einzigen Minute haben die Bakterien aus einem infizierten OP-Gebiet bereits Herz, Lunge und periferes Gefäßsystem erreicht (Kilian, 1982). Debelian et al haben 1998 zeigen können, dass es tatsächlich die Keime aus der infizierten Oralregion sind, die ins Blut gelangen; die Arbeitsgruppe wies nach einer endodontischen Behandlung all die im Wurzelkanal vorkommenden Keime im Blut nach.

 

Page postulierte 1998 drei Wege, wie eine Parodontitis eine systemische Beteiligung verursachen könnte: durch gemeinsame Risikofaktoren (z.B. Rauchen), durch subgingivale Bakterienreservoirs und als dritte Möglichkeit das infizierte Parodont als Spender von Entzündungsmediatoren.

Die parodontalen Taschen liefern permanent LPS und das löst Reaktionen an den Gefäßwänden aus: Infiltration der Gefäßwände durch Entzündungszellen, Fettdegeneration der Gefäße, sowie intravaskuläre Koagulation (Marcus et al, 1993, Mattila, 1989). LPS regt die Bildung von endothelialen Zelladhäsionsmolekülen an sowie von Interleukin-1 (IL-1), Tumornekrosefaktor alpha (TNF-alpha) sowie Thromboxane, was in einer Plateletaggregation und Adhäsion, Ausbildung von Lipid-geladenen Zellen sowie Ablagerung von Cholesterol und Cholesterolester führt.

Das infizierte Parodont stellt ein permanentes Reservoir an Cytokinen dar. TNF-alpha, IL-1beta sowie Gamma Interferon und Prostaglandin E2 (PGE2) erreichen sehr hohe Konzentrationen (Page 1998) bei Parodontitis. Diese Mediatoren werden kontinuierlich vom enzündeten Parodont an die Blutbahn abgegeben, was systemische Effekte auslöst und unterhält. IL-1beta zum Beispiel wirkt koagulierend und induziert Thrombosen sowie verlangsamt die Fibrinolyse (Clinton et al, 1991). IL-1, TNF-alpha und Thromboxane verursachen eine Platelet-Aggregation und Adhäsion, Ausbildung Lipid-geladener Schaumzellen sowie Ablagerung von Cholesterol. Diese selben Mediatoren  sind wohl auch verantwortlich für die hohe Korrelation der Parodontitis mit Früh- und Mangelgeburt (Olsen et al, 2000, Page 1998).

 

Nimmt man all das, was die Wissenschaft an Auswirkungen einer persistierenden Parodontitis durch konkrete physiologisch/medizinische Nachweisführung anhand der aufgeklärten Mechanismen herausgefunden hat und überlegt, welche systemischen Krankheitsbilder sich daraus ableiten lassen, so sind die Folgekrankheiten der Parodontalerkrankung als evident anzusehen.

 

  1. Therapie einer Periiimplantitis

Da es große Ähnlichkeiten gibt zwischen Periiimplantitis und Parodontitis und meistens parodontologisch geschulte Oralmediziner sich mit dieser Erkrankung befassen ist es naheliegend dass analoge Therapieverfahren angewendet werden.

Unterschiedlich wird  empfohlen, zur Schonung der Oberflächencharakteristik der Implantate Kunststoffküretten ein zusetzen – als Pendant der Parodontitistherapie -, wobei  als  Gegenargument der Gefahr von Fremdkörperreaktionen durch den Abrieb von Kunststoffpartikeln wegen der rauen Implantatoberflächenbearbeitung eingebracht wird. Daraus folgernd werden Küretten und Bürsten aus Titan vorgeschlagen.

Neben dem o.a. mechanischen Debridement im geschlossenen Vorgehen werden ultraschallgestützte, photodynamische sowie lasergestützte Vorgehensweisen diskutiert. Im Rahmen einer chirurgischen Vorgehensweise werden neben erfolgreichen – wiederum ein Analogon – jedoch ästhetisch ungünstigen resektiven Verfahren mit Entfernung der oberen Gewindegänge (Reich), Politur und apikaler Verschiebung zur Taschenreduktion auch regenerative Verfahren in der Literatur beschrieben. Eine erfolgreiche Reosseointegration nach wieder verschlossenem (submerged) Vorgehen unter Verwendung von Membranen wurde im Tiermodell (Jovanovic et al. 1993) nachgewiesen. Aktuell  wird ein solches Verfahren auf der Basis erfolgreicher Fallberichten erörtert. Die Compliance der Patienten ist allerdings problematisch, da bei einem solchen  Vorgehen in der Heilungsphase auf die prothetische Suprakonstruktion verzichtet werden muss. Nicht selten sind auch kostenaufwendige Neuanfertigungen notwendig. Eine Übersichtsarbeit aus dem Cochrane Institute (Esposito et al. 2010) diskutiert die verschiedenen Therapieverfahren der periimplantären Entzündungen:

Gebrauch von lokalen Antibiotika vs. ultraschallgestütztes Debridement

  • Zusätzlicher Nutzen lokaler Antibiotika zum mechanischen Debridement
  • Effektivitätsbewertung unterschiedlicher Verfahren zum Debridement.
  • Vergleich Laseranwendung / manuelles Debridement mit CHX-Anwendung (Spülung und Gelapplikation).
  • Einfluss von systemischer Antibiose bei resektivem Vorgehen unter zusätzlicher Verwendung verschiedener lokaler Antibiotika mit und ohne Implantatoberflächenbearbeitung.
  • Einfluss nanochristallinen Hydroxylapatits gegenüber der Verwendung von bovinem Knochenmineral plus porciner Kollagenmembran.

Nur in zwei Studien konnten statistisch signifikante Unterschiede in den Ergebnissen gezeigt werden. Die zusätzliche Anwendung lokaler Antibiose zum Scaling brachte im Mittel eine zusätzliche periimplantäre Sondierungsreduktion von 0,59 mm und einen zusätzlichen Attachmentgewinn von 0,61 mm. Patienten mit periimplantären intraossären Defekten > 3 mm zeigten nach Verwendung einer Kombinationstherapie mit bovinem Knochenmineral und porcinen Kollagenmembranen nach vier Jahren einen zusätzlichen Attachmentgewinn von 1,4 mm und Sondierungstiefenreduktion gegenüber nanochristallinem Hydroxylapatit.

In vier Studien fanden die Cochrane-Leute an betroffenen Implantatoberflächen, die mechanisch gereinigt wurden, ähnliche Ergebnisse wie bei aufwendigeren und teureren Therapieverfahren.

Wegen bisher fehlender Evidenz in der Therapie der periimplantären Entzündung ist – wie bei den PAR-Patienten – zu empfehlen, die stufenweise Therapie (Initialphase, konservative Therapie, Chirurgie, Erhaltungstherapie) (vgl. Hetz, Hrsg.: Aktueller Stand der Parodontologie, Spitta-Verlag) anzuwenden:

Compliance und der immunologische Reaktionslage des Patienten sind dabei als wesentliche Faktoren richtig einzuordnen, um dann streng risikoorientiert ­ zu einer Therapieentscheidung zu kommen, die selbstverständlich vom Patienten mit getragen werden muss (Compliance!)(Gassmann, G.: Periimplantitis ­ in aller Munde?DENT IMPLANTOL 14, 6, 396 ­ 403 (2010).

  1. Fallbeispiel

Insgesamt darf man annehmen, dass die Lebenserwartung eines Implantats in etwa der einer konventionell hergestellten fest eingegliederten Brücke zum Ersatz eins oder mehrerer Zähne (keine Freiendsituation!) entspricht. Selbst die anfänglichen Misserfolge sind vergleichbar.

Allerdings steigt die (nicht mehr als Misserfolg registrierte) Zahl an Problemfällen nach 10 Jahren an – als Grund sind meist Probleme der umgebenden Gewebe angegeben.

Als Ursachen kommen dabei die gleichen infrage wie bei zahngetragenem Ersatz: die Parodontitis wird durch ungenügende Mundhygiene (daran trägt der Patient die Schuld) sowie zahnärztlicherseits durch problematischen Zahnersatz ausgelöst – und bei Implantaten gilt das in gleicher Form. Patienten, die durch ungenügende Mundhygiene auffallen, zeigen ebenfalls eine entzündliche Destruktion der umgebenden Gewebe wie man dies auch bei den natürlichen Zähnen beobachten kann, und insuffizienter Zahnersatz bzw. Implantatsuprastrukturen wirken wie dort als Trigger.

Ein Fallbeispiel soll verdeutlichen, wie Implantaterfolge durch Unachtsamkeit gefährdet werden können.

6.1 Falldarstellung

Im Zuge einer Überweisung wurde bei einem P. eine Implantation in die Lücke 22 (Nichtanlage) nach KFO-Vorbehandlung vorgenommen. Es wurde ein XIVE 3.0 – Implantat gesetzt (März 2004) und dann wieder zurücküberwiesen. Der Hauszahnarzt versorgte den P. prothetisch mittels Metallkeramik auf Titan-Standard-Abutment.

Bis 6,5 Jahre post OP war ein unauffälliger Verlauf angegeben. August 2010 wurde eine Lockerung der Suprastruktur festgestellt, worauf eine Rezementierung stattfand. Dezember 2011 wurde eine Rötung periimplantär registriert, und im März 2011 trat eine bukkale Fistelung in Regio 22 auf, worauf der Hauszahnarzt den P. wieder in die implantologische Praxis überwies.

Das klinische Bild zeigte die entzündliche Veränderung mit Fistelgang Regio 22. Eine Sondierung gestaltet sich aufgrund der Implantatschraubengänge schwierig bis unmöglich, eine diagnostische Aussage wie beim natürlichen Zahn kann daraus kaum abgeleitet werden. Die röntgenologische Untersuchung erbrachte keinen klaren Befund, der als Basis für eine Diagnose hätte dienen können. Es wurde entschieden, operativ vorzugehen, um die Ursache zu klären. Im April 2011 wurde ein bukkaler Accesflap mobilisiert, und das klinische Bild ergab nun eine klare Diagnose:

Es fand sich ein Zementüberschuss submucosal mit deutlichem vestibulärem Knochenabbau.

Die Therapie beinhaltete die Entfernung der Zementreste, die Säuberung der erreichbaren Implantatoberflächen mit dem Glycin-Pulverstrahl sowie die Anwendung der photodynamischen Therapie mittels HELBO-System.

Inwieweit die Therapie erfolgreich ist bleibt abzuwarten, die Beobachtung bzw. der Recall findet wieder beim Hauszahnarzt statt.

6.2 Diskussion

Eine entzündliche Veränderung der marginalen Weich- und Hartgewebe des Implantatlagers, die „Periimplantitis“, ist eine typische Komplikation, die leider nicht unmittelbar, sondern zeitlich verzögert eintritt. Die Prävalenz der periimplantären Entzündungen und der damit verbundenen Gewebsverluste ist differenziert zu betrachten. So macht es Sinn, die auf das Weichgewebe beschränkte periimplantäre Mukositis und die auf den Knochen übergegangene Periimplantitis (periimplantäre Ostitis) unterschiedlich zu betrachten, wobei eine periimplantäre Ostitis stets auf einer vorausgehenden periimplantären Mucositis basiert. Beim Implantat – anders als beim natürlichen Zahn – wird die Mucositis leicht übersehen, da keine massive Rötung oder gar Gingivablutung auftritt. Zur Prävalenz werden derzeit sehr unterschiedliche Zahlen diskutiert: Ferreira et al. (2006) geben  in 64,6 % der Fälle periimplantäre Mukositis und Periimplantitis in 8,9 % an. Roos-Jansåker et al. (2006) finden in 16 % der Patienten und 6,6 % der Implantate Periimplantitis, Zitzmann und Berglundh (2008), finden in einer Übersicht periimplantäre Mukositis bei 80 % der Patienten und 50 % der Implantate, Periimplantitis bei 28 bis 56 % der Patienten bzw. 12 bis 43 % der Implantate. Jung et al. (2008) geben bei Einzelimplantaten eine Periimplantitis in 9,7 % der Fällean. Salinas und Eckert (2010) finden bei Einzelzahnimplantaten 9,7 % weichgewebliche Entzündungszeichen inklusive Periimplantitis und bei 6,3 % der Patienten einen Knochenverlust über 2 mm.

Deshalb kommt einem engen Recallsystem mit regelmäßiger Kontrolle (BOP) eine überragende Rolle zu, um möglichst frühzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Quirynen et al. (2007) geben z.B. einen Implantatverlust von unter 3 % bei Beachtung der Erhaltungstherapie an. Dies beweist, wie wichtig die regelmäßige Nachkontrolle ist.

Im vorliegenden Fall wäre der Recall eine Obliegenheit des Hauszahnarzts gewesen, der vermutlich zwar eine regelmäßige klinische Befundung vorgenommen hat, jedoch die speziellen Erfordernisse des Implantatträgers wahrscheinlich nicht richtig einschätzen konnte.

Die Therapie gestaltet sich recht kompliziert und ist noch in Entwicklung. Da es große Ähnlichkeiten gibt zwischen Periiimplantitis und Parodontitis und meistens parodontologisch geschulte Oralmediziner sich mit dieser Erkrankung befassen ist es naheliegend dass analoge Therapieverfahren zur Anwendung kommen.

Teilweise wird  empfohlen, zur Schonung der Oberflächencharakteristik der Implantate Kunststoffküretten einzusetzen, wobei  als  Gegenargument eine Gefahr von Fremdkörperreaktionen durch den Abrieb von Kunststoffpartikeln wegen der rauen Implantatoberflächenbearbeitung vorgebracht wird. Daraus folgernd werden aktuell Küretten und Bürsten aus Titan vorgeschlagen.

Ein solches Verfahren ist naturgemäß bei den heute bis Mucosaniveau reichenden Schraubengängen der Implantate nur sehr eingeschränkt anwendbar. Einige Autoren (z.B. Reich, Biberach)empfehlen deshalb, die befallenen Schraubengänge abzutragen. Die dabei auftretenden Risiken, wie Eintrag von Titanabrieb in das Weichgewebe, ungünstige Oberflächenstruktur der Implantate nach solcher Bearbeitung, lokale Überhitzungseffekte, etc. werden dabei mangels überzeugender Alternativen billigend in Kauf genommen.

Neben dem mechanischen Debridement im geschlossenen und offenen Vorgehen werden auch ultraschallgestützte, photodynamische sowie lasergestützte Vorgehensweisen diskutiert. Weitere therapeutische Möglichkeiten wären neben erfolgreichen jedoch ästhetisch ungünstigen resektiven Verfahren mit Entfernung der oberen Gewindegänge, Politur und apikaler Verschiebung zur Taschenreduktion auch in der Literatur beschriebene regenerative Verfahren. Eine erfolgreiche Reosseointegration nach submerged Vorgehen unter Verwendung von Membranen wurde im Tiermodell (Jovanovic et al. 1993) nachgewiesen. Aktuell  wird ein solches Verfahren auf der Basis erfolgreicher Fallberichte diskutiert. Die Compliance der Patienten ist allerdings problematisch, da bei einem solchen  Vorgehen in der Heilungsphase auf die prothetische Suprakonstruktion verzichtet werden muss. Eine Übersichtsarbeit aus dem Cochrane Institute (Esposito et al. 2010) diskutiert die verschiedenen Therapieverfahren der periimplantären Entzündungen (siehe auch Dental Spiegel  Heft 7 2011 Okt. 2011).
In zwei Studien konnten statistisch signifikante Unterschiede zwischen der lokalen Antibiotikaapplikation und dem mechanischen Debridement gezeigt werden. Die zusätzliche Anwendung lokaler Antibiose beim Scaling brachte im Mittel eine zusätzliche periimplantäre Sondierungsreduktion von 0,59 mm und einen zusätzlichen Attachmentgewinn von 0,61 mm. Patienten mit periimplantären intraossären Defekten > 3 mm zeigten nach Verwendung einer Kombinationstherapie mit bovinem Knochenmineral und porcinen Kollagenmembranen nach vier Jahren einen zusätzlichen Attachmentgewinn von 1,4 mm und Sondierungstiefenreduktion gegenüber nanochristallinem Hydroxylapatit.

Wegen bisher fehlender ausreichender Evidenz in der Therapie der periimplantären Entzündung ist – wie bei PAR-Patienten – zu empfehlen, die stufenweise Therapie (Initialphase, konservative Therapie, Chirurgie, Erhaltungstherapie) (vgl. Hetz, Hrsg.: Aktueller Stand der Parodontologie, Spitta-Verlag) anzuwenden.

Zu diskutieren ist weiterhin die Problematik einer submucosalen bzw. subgingivalen Zementierung und insbesondere die Situation einer Zementierung auf einem nicht-individualisierten Abutment. Hier ist darauf zu verweisen, dass die Suprakonstruktion eine bedeutende determinierende Rolle für die Lebenserwartung von Implantaten spielt. Zahnersatz sollte möglichst so konzipiert werden, dass kein negativer Reiz für die umgebenden Gewebe davon ausgehen kann.

Trotz aller Sorgfalt kann trotzdem eine späte periimplantäre Entzündung auftreten, die entsprechend therapiert werden muss. In unserem Fall wurde die photodynamische Therapievariante gewählt.

Die antimikrobielle photodynamische Therapie (aPDT, HELBO Photodynamic System, Grieskirchen, Österreich) ist ein relativ neues Verfahren zur Desinfektion. Zunächst werden Zahnfleisch- und Knochentaschen professionell gereinigt, um die weichen und harten Beläge zu entfernen und die Bakterienzahl zu reduzieren. Im zweiten Schritt wird eine blaue Farblösung in die Zahnfleisch- und Knochentaschen gefüllt. Diese Lösung enthält einen Photosensitizer, das heißt einen Farbstoff, der auf Laserlicht einer bestimmten Wellenlänge reagiert. Die Farbstoffmoleküle heften sich an die Bakterienmembran, so werden die Bakterien angefärbt. Schließlich erfolgt die Belichtung mit Laserlicht. Es kommt dadurch zur Bildung von aktivem Sauerstoff, der die Bakterienmembran schädigt und damit bakterizid wirkt. Dadurch werden alle Bakterien um bis zu zwei bis drei Zehner-Potenzen reduziert, so die Angaben des Unternehmens (Eberhard 2010, Neugebauer).
Das Photodynamik-System HELBO besteht aus einem Low-Level-Diodenlaser mit 660 nm Wellenlänge und 40mW Therapieleistung, dem Photosensitizer (Phenothiazinchlorid) und der 3-D-Pocket-Probe Lasersonde. Ein zusätzlicher biodynamischer Effekt des Laserlichts soll die schnelle Gewebeheilung und Regeneration aktivieren. Nebenwirkungen des Photosensitizers sind bis auf eine temporäre Blauverfärbung der Strukturen nicht bekannt.

 

Literatur zur photodynamischen Therapie:
Vock, M.: Die photodynamische Therapie (PDT): Ein Fallbericht über die Behandlung der Parodontitis marginalis mit Hilfe der PDT unter der Verlaufskontrolle mittels Bakterienbestimmung; 10th Meeting of ISLD & 15. Jahreskongress der DLG, Berlin vom 18. bis 20. Mai 2006 – Zahnmedizin Report (2006) 7: 11.
Lin, Z., Wang, Y., Zhang, X., Ding, X., Chen, H., Zhu, X., Wang, J., Lee, S., Kim, S., Li, Y.: Clinical Efficacy of A New Photodynamic Treatment for Periodontal Diseases; IADR/AADR/CADR 85th General Session and Exhibition; 21. bis 24. März 2007.
Zhu, X., Lin, Z., Wang, Y., Zhang, X., Chen, H., Ding, X., Wang, J., Lee, S., Kim, J., Li, Y.: Recovery Rates of Periodontal Pockets Treated with Photodynamic Disinfection; IADR/AADR/CADR 85th Gene¬ral Session and Exhibition; 21. bis 24. März 2007. 
Hayek, R. R. A. , Araújo, N. S., Gioso, M. A., Ferreira, J., Baptista-Sobrinho, C. A., Yamada, A. M., Ribeiro, M. S.: Comparative Study Between the Effects of Photodynamic Therapy and Conventional Therapy on Microbial Reduction in Ligature-Induced Peri-Implantitis in Dogs; Journal of Periodontology 2005; 76(8): 1275-1281 – Zahnmedizin Report (2005) 11: 9.
Petersilka, G., Harmsen, D., Ehmke, B.: Aktueller Stand der Wurzeloberflächenbearbeitung. In: Wissen kompakt – Parodontologie. (2007) 1: 17-29.
Sigusch, B. W., Völpel, A., Engelbrecht, M., Pfister, W., Glockmann, E.: Effizienz der Photodynamischen Therapie (PDT) mit dem Helbo-Verfahren. Mikrobiologische Ergebnisse einer klinisch kontrollierten Studie bei parodontaler Entzündung (Teil II). ZWR (2007) 116: 589-594.

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