MODERNE ZEITEN
INDUSTRIE IM BLICK VON MALEREI UND FOTOGRAFIE
26. JUNI BIS 26. SEPTEMBER 2021 Bucerius Kunst Forum, Hamburg
Erstmals widmet sich eine Ausstellung der Darstellung von Industrie im Dialog der Medien Malerei und Fotografie. Die Schau Moderne Zeiten. Industrie im Blick von Malerei und Fotografie spannt einen zeitlichen Bogen vom Beginn der Industrialisierung bis heute, von der Romantik bis zur zeitgenössischen Fotografie. Bildgewaltig macht sie die Entwicklungen und Veränderungen in der künstlerischen Industriedarstellung über einen Zeitraum von 175 Jahren deutlich. Das Bucerius Kunst Forum, Hamburg versammelt rund 20 Gemälde und etwa 180 Fotografien von über 100 Künstlerinnen und Künstlern, darunter Werke von Adolph Menzel, Conrad Felixmüller, Albert Renger-Patzsch, August Sander, Otto Steinert, Evelyn Richter, Hilla und Bernd Becher, Robert Voit, Thomas Struth und Inge Rambow.
Vom 26. Juni bis zum 26. September 2021 zeigt das Bucerius Kunst Forum, Hamburg eine umfassende Schau zur Darstellung von Industrie in Malerei und Fotografie – ein absolutes Novum. Nie zuvor wurde die künstlerische Auseinandersetzung mit der Entstehung und Entwicklung von Industrie und den damit einhergehenden Veränderungen von Landschaft und Arbeit im Dialog der beiden Medien beleuchtet.
Ausgangspunkt der Ausstellung bilden Arbeiten aus den 1850er Jahren: Fabriken in idyllischer Einheit mit der Natur, Innendarstellungen der Arbeitsstätten und Arbeitsvorgänge in riesigen Produktionshallen von Stahlunternehmen sowie die zunehmende Mobilität durch Eisenbahn und Schiffsverkehr fanden Eingang in das Werk der Maler dieser Epoche. Die Fotografie war zu dieser Zeit noch keine eigene Kunstrichtung, doch wurden Fotografen von Unternehmen mit der Dokumentation von Großbaustellen wie dem Bau von Bahnhöfen und Eisenbahntrassen oder dem Schiffsbau sowie mit werbenden Aufnahmen etwa von Werksgeländen und – hallenbeauftragt. Diese Fotografien von Industriearbeit und -bauten werden in der Ausstellung den Gemälden der Zeit gegenübergestellt. Impressionistische Künstlerverwandelten gegen Ende des 19. Jahrhunderts Industrielandschaften zu Stimmungsbildern, in denen sich eigenwillige Lichteffekte studieren lassen. Zeitgleich stellten künstlerisch ambitionierte Amateurfotografen Fabriken und Arbeitsleben in atmosphärischen Kompositionen dar. Auch sozialkritische Tendenzen spielten nun eine zunehmende Rolle. Während bis dahin Arbeiterinnen und Arbeiter inmitten einer übermächtigen Industriearchitektur eine marginale Stellung einnahmen und sich der Maschinenwelt unterordneten, erfuhr das Verhältnis von Mensch und Technik ab 1900 eine grundlegende Veränderung. Nunmehr rückte die soziale Frage immer stärker in das öffentliche Bewusstsein und Arbeiterinnen und Arbeiter wurden als Individuen wahrgenommen. Fotografen hielten nun auch die prekären Lebens- und Arbeitsverhältnisse des Proletariats etwa in New York und Berlin eindrucksvoll fest.
Zwischen 1880 und1930 entwickelte sich in Deutschland das Genre der Industriemalerei ausgehend von Aufträgen seitens Großunternehmen. Maler arbeiteten – gelegentlich mithilfe fotografischer Vorlagen – in Großunternehmen der Stahl- oder Textilindustrie, um die Arbeit in den riesigen Fabrikhallen möglichst realistisch zu erfassen. Im Unterschied dazu setzten die Künstlerinnen und Künstler der Neuen Sachlichkeit zur selben Zeithäufig gesellschaftskritische Akzente. Statt für malerischen Impressionismus oder heroische Industriemotive interessierten sie sich für die soziale und politische Wirklichkeit, um die gesellschaftlichen Verhältnisse im Kapitalismus zu kritisieren. Zu ihren Themen zählten neben der Massenarbeitslosigkeit vor allem der soziale Klassenunterschied. Die neusachliche Industriefotografie hingegen artikulierte in der Regel keine dezidierte Kritik an der bestehenden Gesellschaftsordnung. Nach 1945 bestimmte die sogenannte Subjektive Fotografie den Formenkanon der Industriedarstellung mit einer experimentell-abstrakten Bildsprache. Im Unterschied zu der technikeuphorischen Vorkriegszeit schwang in den Fotografien nun Distanz zum Fortschritt mit. In den 1960er/70er Jahren finden sich zahlreiche Bildreportagen über den Lebensalltag in Industrieregionen wie dem Ruhrgebiet, meist für illustrierte Zeitschriften erarbeitet. Ins Blickfeld rückten zunehmend Themen wie Umweltverschmutzung oder schwierige Arbeitsbedingungen, die von investigativ arbeitenden Fotojournalistinnen und -journalisten dokumentiert wurden. Mit dem zunehmenden Verschwinden traditioneller Industriebranchen wie dem Kohlebergbau und der Entstehung neuer Energieformen wuchs auch das künstlerische Interesse, eine im Untergang befindliche Industriekulturmit Bauten wie Wassertürmen, Fördertürmen oder Zechen fotografisch festzuhalten.
Seit den 1970er Jahren bis heute haben sich zahlreiche Künstlerinnen und Künstler mit den Folgender Industrialisierung auseinandergesetzt. Verlassene Industrieruinen, mweltverschmutzung und -zerstörung, ausbeuterische Arbeitsbedingungen, Minamata, Tschernobyl und Fukushima, die Auswirkungen von Gentechnologie in der Landwirtschaft oder die Veränderung der Lebenswelt infolge von Automatisierung und Digitalisierung werden in ihren Arbeiten thematisiert. Und so stehen am Ende der Ausstellung die
Werkezeitgenössischer Fotografinnen und Fotografen, die die Veränderungen unseres Planeten durch die industrielle Ausbeutung der Ressourcen oder die auch die Digitalisierung von Arbeitsprozessen sichtbar machen.