Zahnlos im Alter – das war einmal. Der Anteil der Senioren, die noch mit ihren eigenen Zähnen im Kiefer kauen, nimmt in Deutschland seit Jahren zu. Statistisch besitzen 65- bis 74-Jährige noch 18 eigene Zähne, sagt die fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V). Die Kehrseite dieser Entwicklung: Alte Menschen sind anfälliger für Parodontitis, die den Kieferknochen porös macht und bei Nichtbehandlung zum Zahnverlust führt. Sechs von zehn Senioren sind laut DMS V betroffen, bei jedem Fünften der über 65-Jährigen verläuft die Erkrankung schwer. Eine Herausforderung für die Alterszahnmedizin in Diagnostik, Therapie und Forschung, zumal die Parodontitis auch Auswirkungen auf die Allgemeingesundheit haben kann. Bekannt ist zum Beispiel, dass Parodontitis-Patienten ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte oder Durchblutungsstörungen haben, auch Diabetes und Mundentzündung beeinflussen sich gegenseitig.
Am Universitätsklinikum Jena stellt sich die Zahnärztin Dr. Ulrike Schulze-Späte der Herausforderung Parodontitis. Seit dem vergangenen Jahr leitet die Oberärztin an der Poliklinik für Konservierende Zahnheilkunde und Parodontologie die dortige Sektion für Alterszahnmedizin, wo vor allem Patienten mit schweren Krankheitsverläufen behandelt werden. Sie forscht hier zu Faktoren, die den Abbau des Kieferknochens begünstigen. „Das ist eine Voraussetzung, um eine adäquate therapeutische Strategie entwickeln zu können“, erläutert sie. Denn die Entzündung erschwert auch notwendige Behandlungen mit Zahnprothesen oder mit Zahnimplantaten.
Bei Parodontitis sind die mit zunehmendem Alter größer werdenden Räume zwischen Zahnkrone und Zahnfleisch, sogenannte Zahnfleischtaschen, Einfallstore für aggressive Bakterien. Diese dringen tief in das Weichgewebe, den Kiefer und die Zahnwurzel ein. Das Zahnfleisch geht zurück, der Kieferknochen wird porös. „Parodontitis ist eine schleichende Erkrankung, eine stille Infektion“, sagt die Zahnmedizinerin. Denn wegen fehlender Schmerzen merken die Betroffenen zunächst oftmals nichts davon, werden mitunter erst durch Zahnfleischbluten auf die Erkrankung aufmerksam. Schließlich lockern sich die Zähne und fallen aus.
„Bei fortschreitendem Knochenabbau verlieren Zahnprothesen und Brücken den Halt, Implantate lassen sich ohne vorherigen Knochenaufbau im Kiefer nicht richtig verankern“, so Dr. Ulrike Schulze-Späte. „Deshalb muss erst die Parodontitis behandelt werden, bevor ein Implantat gesetzt werden kann.“ In ihrem auf drei Jahre angelegten Forschungsprojekt geht es konkret um den Einfluss von Übergewicht und Fettleibigkeit auf den Knochenstoffwechsel. Übermäßig gespeicherte gesättigte Fettsäuren wie bei Adipositas stehen im Verdacht, die Widerstandskraft des Knochens zu schwächen und so den Kieferknochenabbau bei Zahnfleischentzündungen zu fördern. Die junge Zahnärztin, die bereits einige Jahre an der Columbia-University in New York klinisch tätig war und zu Knochenstoffwechsel und Parodontalerkrankungen geforscht hat, profitiert in Jena von einem neu aufgelegten Programm, mit dem die Medizinische Fakultät die wissenschaftliche Karriere von Frauen am UKJ nach deren Promotion fördert. Über dieses Programm kann sie – wie zwei andere geförderte Wissenschaftlerinnen mit anderen Themengebieten – bis zu drei Jahre ihre Parodontitis-Forschung in einer eigenen Arbeitsgruppe vorantreiben. Die drei Stipendiatinnen werden jeweils mit 100.000 Euro jährlich gefördert.
Wir bleiben dran!
Kontakt
Dr. Ulrike Schulze-Späte
Leiterin der Sektion für Alterszahnmedizin an der Poliklinik für Konservierende Zahnheilkunde und Parodontologie am Universitätsklinikum Jena
An der Alten Post 4, 07743 Jena
E-Mail: Ulrike.Schulze-Spaete@med.uni-jena.de