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Keramiken und Kunststoffe können Metalle schon bei vielen Zahn-Therapien ersetzen

DGZMK: Risiken von Metallen im Mund eher gering einzuschätzen / Unverträglichkeiten sind aus wissenschaftlicher Sicht selten / Kunststoffe verdrängen Amalgam als Füllungsmaterial

11. Mai 2017 – Berlin. Die Gefahr, die von Metall im Mund ausgehen kann, haben Kinogänger noch vor Augen: In den James Bond-Filmen „Der Spion, der mich liebte“ und „Moonraker“ verbreitete der von Richard Kiel gespielte Bösewicht „Der Beißer“ mit einem Gebiss aus Stahl Angst und Schrecken. Wie groß aber ist die Gefahr, die Metalle im Mund auslösen können, wenn sie als Füllungsmaterial oder Zahnprothesen zum Einsatz kommen? Und braucht die moderne Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde sie überhaupt noch angesichts neuer Keramiken und Kunststoffe, die bei Behandlungen heute angewendet werden? „Aus wissenschaftlicher Sicht sind die Risiken, die von Metallen im Mund ausgehen, grundsätzlich eher gering einzuschätzen. Hier widersprechen unsere Erkenntnisse eindeutig einer weit verbreiteten Wahrnehmung. Wir möchten daher ein Zeichen in Richtung eines faktenbasierten Umgangs mit diesem Thema setzen“, stellt Prof. Dr. Michael Walter, Präsident der DGZMK (Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde) und als solcher oberster Repräsentant der wissenschaftlichen Zahnmedizin hierzulande, eindeutig klar. „Keramiken und Kunststoffe können Metalle heute bei vielen Therapien schon ersetzen, ganz verdrängen können sie diese aber noch nicht.“ Im Rahmen einer Pressekonferenz der DGZMK, die sich mit den beiden genannten Fragen beschäftigte, wurde die Verwendung von Metallen, Keramiken und Kunststoffen bei zahnärztlichen Therapien aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet.

Wahrgenommenes Allergie-Risiko im Widerspruch zur Wissenschaft

Was die Verträglichkeit von Dentalmetallen angeht, erläutert Priv.-Doz. Dr. Anne Wolowski (WWU Münster) vom Arbeitskreis Psychologie und Psychosomatik in der DGZMK: „Man liest immer wieder Einzelfallberichte über teils dramatisch erlebte lokale wie allgemeine, sehr unspezifische Beschwerden durch Dentalmetalle (z. B. allgemeine Schwäche, Ermüdung, Energielosigkeit, Mundtrockenheit, erhöhter Speichelfluss). Die intuitiv gesteuerte Wahrnehmung eines solchen Allergie-Risikos durch die Bevölkerung steht dabei  aber im Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen.“

„Grundsätzlich gilt, dass an der Mundschleimhaut kontaktallergische Reaktionen seltener als an der Haut auftreten und im Falle einer Reaktion auch ein eher geringeres Ausmaß annehmen. Der Grund dafür ist die verdünnende Wirkung des Speichels (‚rinse-off‘-Effekt), welche die Kontaktzeit des Allergens verringert. Ein weiterer Grund ist die geringere Dichte jener Zellen im Bereich der Mundschleimhaut, die für die Abwehrreaktion verantwortlich sind“, so Wolowski. Ein positives Testergebnis sei zunächst nur der Nachweis einer Sensibilisierung.  In jedem Fall müsse die klinische Relevanz interdisziplinär beurteilt werden. Erst bei eindeutigen Hinweisen aufgrund der Vorgeschichte und belastender Symptome könne man von einer nachgewiesenen Allergie ausgehen und sollte die fraglichen Materialien gegebenenfalls austauschen.

Nozeboeffekt belastet in hohem Maße

Wolowski empfiehlt bei unklaren Beschwerden und/oder bei dem Verdacht auf eine Materialunverträglichkeit die Zusammenarbeit von Zahnmedizin und Allgemeinmedizin. Dabei hänge es von der Art der Beschwerden, der Vorgeschichte und gegebenenfalls vorliegender körperlicher Befunde ab, in welche Richtung eine spezifische Fachdiagnostik und gegebenenfalls Therapie geleitet werden müsse. Dabei steht für die spezialisierte  Zahnmedizinerin fest: „Die höchste Belastung, die Patienten erleben, ergeben sich oft aus einer vorschnellen und von Polemik gesteuerten Diagnostik. Unsicherheiten durch unbegründete Spekulationen haben eine Überschätzung eines objektiven Risikos im Sinne eines Nozeboeffektes (als schädigend wahrgenommener Effekt) zur Folge und belasten Betroffene unnötig in hohem Maße.“

Immer wieder in die Schlagzeilen und entsprechend in Verruf ist Amalgam geraten. Bei diesem seit 1820 eingesetzten Füllungsmaterial steht der rund 50prozentige Quecksilberanteil in negativem Ruf. Inzwischen, so Prof. Dr. Roland Frankenberger (Uni Marburg) von der DGZ (Deutsche Gesellschaft für Zahnerhaltung), habe diese Tatsache und der Wunsch nach „unsichtbaren“ zahnfarbenen Füllungen für einen Siegeszug der dentalen Füllungskunststoffe (Komposite) gesorgt. „Diese bieten neben der Ästhetik im Vergleich zum Amalgam vor allem den Vorteil, dass sie viel minimal-invasiver, d.h. unter Opferung wesentlich geringerer Mengen gesunder Zahnhartsubstanz verarbeitet werden können. Daher haben die Komposite das Amalgam heute de facto als Massenfüllungsmaterial abgelöst“, erklärt Frankenberger.

Verwendung von Amalgam normalerweise unbedenklich

Allerdings sei die toxikologische Bewertung beider Füllungsmaterialien nicht trivial. Auch einzelne Bestandteile dentaler Komposite würden zum Teil kritisch gesehen, da im Zuge der Polymerisation mit Licht in der Regel eine 100%-ige Polymerisation nicht zu erzielen sei. Und trotzdem sei bei 50 Mio. Füllungen pro Jahr in Deutschland die Komplikationsrate bezüglich biologischer Begleiterscheinungen nachgewiesenermaßen sehr gering. Frankenbergers Fazit: „Ein perfekt biokompatibles Füllungsmaterial gibt es nicht. Es gilt daher, eine stringente Risikoabschätzung durchzuführen. Nach dieser ist die Verwendung von Amalgam und Amalgamersatzmaterialien in der Regel unbedenklich – d.h. das Risiko ist akzeptabel.“

Keramik verdrängt Metalle beim Zahnersatz

Zahnersatz ist in herausnehmbaren und festsitzenden sowie in zahngetragenen und implantatgetragenen Zahnersatz unterteilbar. Bei der Herstellung von Zahnersatz kommen neben unterschiedlichen Kunststoffen und Kunststoffzähnen vor allem Metalle und Keramiken zur Anwendung. „Generell zeigt sich bei diesen Zahnersatzversorgungen, dass Verträglichkeitsprobleme eher selten auftauchen“, fasst Prof. Dr. Stefan Wolfart (RWTH Aachen) von der Deutschen Gesellschaft für Prothetische Zahnmedizin und Biomaterialien (DGPro) zusammen. „Im Bereich des festsitzenden Zahnersatzes (Kronen und Brücken) wird die Metallkeramik immer noch als Goldstandard bezeichnet. Hierbei wird ein Edelmetall- oder Nichtedelmetallgerüst mit einer Verblendkeramik verblendet. Zahnersatz aus Vollkeramik stellt dazu in vielen Bereichen eine sinnvolle Alternative dar.“ Bei den herausnehmbaren Restaurationen sei eine Versorgung ohne Metalle dagegen nicht realisierbar. Jeder herausnehmbare Zahnersatz – von der Totalprothese abgesehen – weise ein Metallgerüst auf. Insgesamt lasse sich festhalten, dass der Einsatz von Metallen bei Zahnersatz stark zurückgegangen sei. Ganz ohne Metalle gehe es aber vor allem bei großen Brücken, in der Implantatprothetik und bei herausnehmbaren Prothesen noch nicht. Die hochgoldhaltigen Legierungen würden heute aus Kostengründen – wo immer möglich – immer mehr durch Nichtedelmetalllegierungen ersetzt.

Titanimplantate weiter Goldstandard

Zahnärztliche Implantate stellen heutzutage eine wissenschaftlich anerkannte Therapiealternative zum Ersatz fehlender Zähne dar. Die Prognose (sog. Überlebensrate) für zahnärztliche Implantate ist nach adäquater Planung, Einbringung und Versorgung als sehr gut zu beziffern und beträgt nach fünf bis zehn Jahren, je nach Einsatzbereich, zwischen 95 und 100 Prozent. Grundlegend gilt es jedoch zu beachten, dass zahnärztliche Implantate einer intensiven Mundhygiene bedürfen. Neben der häuslichen “Implantatreinigung” muss eine regelmäßige Kontrolle und professionelle Reinigung durch den Zahnarzt erfolgen. Somit lassen sich Implantatentzündungen (z.B. Periimplantitis) in aller Regel vermeiden.

„Zahnärztliche Implantate werden heutzutage überwiegend aus Titan, einem leichten aber sehr festen Metall, gefertigt. Insbesondere Reintitan wird vom Körper sehr gut akzeptiert und bildet an der Luft eine beständige Schutzschicht aus. Die Korrosionsbeständigkeit des Reintitans und von Titanlegierungen gilt allgemein als ausgezeichnet“, führt Prof. Dr. Frank Schwarz (Uni Düsseldorf), Präsident der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI) aus.

Neue Materialentwicklungen wie z.B. Keramikimplantate (Zirkondioxid) können derzeit noch nicht für alle Einsatzbereiche empfohlen werden. Die weitgehend problemlose Verwendung von Titanimplantaten ist wissenschaftlich bestens belegt. Titanimplantate bilden im Moment nach wie vor den Goldstandard und bleiben vorerst noch unverzichtbar. Keramikimplantate können bei bestimmten Indikationen eingesetzt werden.

Pressemitteilung der DGZMK – https://www.dgzmk.de

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