Online-Magazin für die Zahnarztpraxis

Regresse

Was ist passiert? Der Zahnarzt wendet sich vertrauensvoll an einen Anwalt und überlässt dem vermeintlichen Spezialisten das Weitere. Das ist schon der Fehler Nummer 1! Warum?
Unser Rechtswesen ist extrem kompliziert, Deutschland ist ein Land mit sehr vielen Rechtsvorschriften. Und da kennt sich Keiner mehr wirklich aus, und schon gar nicht auf allen Gebieten. Deshalb spezialisieren sich Juristen (nicht nur Anwälte, auch Staatsanwälte und Richter) um zumindest noch ein bisschen den Überblick zu behalten, obgleich intern auch darüber geklagt wird, dass trotz Spezialisierung kaum noch wirklich Kompetenz gegeben ist. Richter sind ebenso hoffnungslos überfordert wie Anwälte. Dies wurde öffentlich diskutiert und hat zu „Reformen“ geführt, die kaum echte Erleichterung gebracht haben. So wurden Beschleunigungsverfahren eingeführt – Rechtsstreitigkeiten müssen nun innerhalb festgesetzter Fristen abgearbeitet werden, damit ist Deutschland im internationalen Vergleich mittlerweile vorbildlich – nirgends wird inzwischen so schnell entschieden wie hierzulande. Dafür müssen wir aber einen hohen Preis zahlen: es sind zwar mehr Anwälte tätig, aber, die Justiz wurde nicht ausgebaut, d.h., es gibt eher weniger als mehr Richter. Um trotzdem den politischen  Vorgaben zu genügen werden immer mehr „Vergleiche“ geschlossen, bei denen die Richter entlastet werden. Was passiert beim Vergleich? Dabei einigen sich Kläger und Beklagter „außergerichtlich“ irgendwo zwischen den Ansprüchen, also z.B. will einer 1000 € haben und der andere gar nichts zahlen, dann einigt man sich in der Mitte bei 500 €. Zu solchen Vergleichen fordern die Richter aktiv auf.
Schön könnte man meinen, ist doch prima, geht es schneller. Wenn da nicht der Pferdefuß wäre. Es gibt bei Gericht einen Bonus, wenn man einen Vergleich schließt, das heißt, man hat weniger Verfahrensgebühr zu zahlen. Auch gut. Nur, jetzt kommt´s: der Anwalt kriegt ein spezielles Vergleichshonorar, und das ist nicht von Pappe. Nehmen wir unser Beispiel mit den 1000 € – da kommt hübsch was zusammen: die „normale“ Anwaltsgebühr nach Streitwert (der ist ja 1000 €), zuzüglich Sitzungsgeld und zuzüglich Vergleichsgebühr, da fällt in unserem Beispiel die Anwaltsrechnung höher aus als beim Vergleich rausgekommen ist. Ein schlechtes Geschäft! Und bei einem solchen 50/50 Vergleich zahlt jeder seine Anwaltskosten selber.
Wird der Vergleich nun z.B. 70/30 abgeschlossen, werden auch die Kosten in diesem Verhältnis geteilt, das ist für den 30-Prozent-Vergleicher ganz übel.
Nehmen wir jetzt das typische  Zahnarztproblem, dass ein Patient die Rechnung nicht zahlt. Was tut man? Man rennt zum Anwalt. Es ist extrem schwierig für den juristischen Laien hier die richtige Auswahl zu treffen – es gibt Anwälte, die sich auf Arztrecht spezialisiert haben, aber, die vertreten meist die Patienten, einen, der auch den Zahnarzt vertritt, sucht man lange. Doch, man findet Anwälte, die das übernehmen, aber, ob die dann auch qualifiziert sind?! Der Zahnarzt wird immer noch als lohnendes Objekt der Begierde angesehen, will heißen, man verspricht sich zumindest eine Bonität, für den Anwalt ist das ein sicheres Geschäft, das man gerne mitnimmt, egal ob er sich auskennt oder nicht, der Anwalt kriegt sein Geld, was bei Patienten ja nicht immer der Fall ist.
Unser Sozialrecht wird bei der Juristenausbildung überhaupt nicht gelehrt, d.h., die Anwälte müssen sich das später aneignen – und Richter auch.  Nun sind Behandlungsverträge stets eine Kombination von Zivilrecht und Sozialrecht. Die Justitiare der Kammern sind da eine gute Anlaufstation, die kennen sich wenigstens theoretisch aus.
Das hohe Kostenrisiko kann man aber minimieren: zahlt ein Patient nicht, so kann man im Internet ganz einfach und kostengünstig einen „Mahnbescheid“ beantragen. Der wird vom Amtsgericht ausgestellt und dem säumigen Zahler zugeschickt. Der muss dann reagieren: er kann Widerspruch einlegen, dann muss der Zahnarzt Klage erheben. Bei Summen unter 5000 € ist das Amtsgericht zuständig, darüber das Landgericht. Beim Landgericht besteht Anwaltszwang, vor dem Amtsgericht nicht. Da bietet es sich an, sich selbst zu vertreten. Kann man das? Ja, man kann! Das finanzielle Risiko ist klein: man hat den Mahnbescheid zu bezahlen (liegt bei etwa 20 € – beim Anwalt kostet das etwa 250 bis 300), und im Fall, dass z.B. der Zahlungspflichtige insolvent ist (kommt gar nicht selten vor) bleibt man auf den Kosten sowieso sitzen. Die Gerichtsgebühr bemisst sich nach dem Streitwert, das ist der Rechungsbetrag zuzüglich der Kosten, also Zinsen ab 4 Wochen nach Rechnungszugang (5 % über dem Referenzzinssatz) sowie den Kosten für den Mahnbescheid sowie die Gerichtsgebühren.
In dieser Konstellation kann man leicht einen Vergleich anbieten und schließen – es bleibt ja immer noch was übrig, und die Richter sind darauf getrimmt, Vergleichsangebote zu honorieren, will heißen, die Chancen auf einen „Sieg“ steigen nicht unerheblich. Wenn man dann noch einer Teilzahlungsregelung zustimmt, hat der Gegner schlechte Karten und muss schon sehr gute Argumente finden, um da noch rauszukommen. Rechnet man nach, kann man so schnell kaum noch Geld verdienen – mit einem Zeitaufwand von vielleicht zwei Stunden (einschließlich Vorbereitung und Sitzung) sagen wir in unserem Beispiel bei einem Vergleich auf 800 statt 1000 € sind das immerhin 400 € pro Stunde, zuzüglich Zinsen. Bei größeren Summen wird das naturgemäß noch interessanter.
Im anderen Fall, also der Zahnarzt muss eine Forderung gegen sich abwehren, ist das nicht viel anders. Nehmen wir an, man hat eine Wirtschaftlichkeitsprüfung gegen sich stehen und findet die ungerecht. Da wird man erst einmal einen „fachlich begründeten Widerspruch“ einlegen. Den kann ein Anwalt gar nicht formulieren, weil er ja fachlich (zahnmedizinisch) nicht qualifiziert ist. Zahnärzte hingegen formulieren viel zu fachlich, nämlich medizinisch – aber, über den Widerspruch entscheidet der Prüfungsausschuss, und der ist paritätisch besetzt, und da sitzen eben die Kassenvertreter drin. Die sind jedoch keine Zahnärzte und denken eher in Kategorien der Sozialgesetzgebung. Darauf muss ein gut formulierter Widerspruch eingestellt sein. Vor dem Prüfungsausschuss kann sich der Zahnarzt selbst vertreten oder von einem Kollegen vertreten lassen – vor Gericht geht das nur durch einen Anwalt, das Rechtsberatungsgesetz verbietet es Nichtjuristen, rechtliche Assistenz auszuüben (Ausnahme: Kollegen vor dem Prüfungsausschuss). Dies kann man nutzen, indem man fachlich versierte Kollegen mit der Vertretung beauftragt (Beispiel www.securdent.de).
Bindet man von Beginn an einen Anwalt ein, so steht man vor noch größeren Problemen als im ersten Fall.  Der Anwalt berechnet sein Honorar im Allgemeinen nach „Streitwert“. Rechtsschutzversicherungen decken das Risiko beruflicher Auseinandersetzungen meist nicht ab, sie sind für Privatstreitigkeiten da. Bleibt also das Kostenrisiko beim Zahnarzt. Nun ist es naheliegend, dass der Anwalt den Streitwert nicht zu knapp ansetzt, schließlich will er ja auch was verdienen. Da kommt rasch was zusammen an Gebühren – und auch die Prüfungsausschüsse neigen dazu, Vergleiche anzustreben. Kann man durch die „fachlich begründete Stellungnahme“ den Regress nicht abwehren und kommt es zur Sitzung, kostet der Anwalt schon wieder, und dann wird ein Vergleich geschlossen – da hätte man dem Regress gar nicht erst widersprechen brauchen, weil so unter dem Strich gar nichts mehr herauskommt außer Ärger und Zeitverlust.
Sinnvoll ist hier nur die Einschaltung eines Kollegen, weil das viel kostengünstiger ist. Für den Fall, dass die Auseinandersetzung vor Gericht landet, kann der assistierende Kollege mit dem Anwalt zusammenwirken und zumindest die Chancen verbessern.
Bei anderen Streitigkeiten ist das auch nicht viel anders: die Anwalts- und Gerichtsgebühren sind abschreckend hoch, so dass auf diesem Wege versucht wird, die Streitlust der Bürger zu dämpfen. Beispiel Arbeitsgericht: bei Kündigungen setzt der Anwalt sehr hohe Streitwerte fest, wohl wissend, dass da jede Partei selbst im Fall des Obsiegens die eigenen Kosten stets selbst tragen muss. Da ist es heute die Regel, dass der klagende Arbeitnehmer zwar vor Gericht „Recht“ bekommt und dann einen Vergleich mit nicht geringer Abfindung erhält, nur, die Anwaltsgebühren sind dann meistens mindestens genauso hoch, so dass unter dem Strich nichts übrig bleibt. Kann man auch bei Scheidungsstreitigkeiten beobachten, da wird nicht selten das gemeinsame Vermögen vollkommen aufgezehrt.
In diesen Fällen empfiehlt sich die Einschaltung sog. „Mediatoren“, das sind Rechtspfleger, die für viel weniger Geld eine Lösung finden. Und Patienten vom Klagen abhalten? Ist schwierig, die haben eine Rechtsschutzversicherung, da gehen sie kein Risiko ein …

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