„Gemeinsam gegen Mundkrebs in Schleswig-Holstein“
Als „eine beispielhafte regionale Initiative zur gesundheitlichen Prävention im Bereich der deutschen Zahnmedizin“, lobt Prof. Dr. Dr. Henning Schliephake (Universität Göttingen) die letztes Jahr im April ins Leben gerufene Kampagne „Gemeinsam gegen Mundkrebs in Schleswig-Holstein“. „Diese regionale Präventionskampagne hat bundesweiten Modellcharakter“, stellt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) heraus, sie helfe, Tumore in der Mundhöhle früher zu erkennen und damit die Prognose und Lebensqualität Betroffener zu verbessern. Die Aufklärungskampagne „Gemeinsam gegen Mundkrebs in Schleswig-Holstein“ führe außerdem Medizin und Zahnmedizin beispielhaft zusammen, so Schliephake. Sowohl die Zahnärzte- und Ärzteschaft als auch die Apotheken aus Schleswig-Holstein sowie die Friede-Springer-Stiftung, das Gesundheitsministerium Schleswig-Holstein und eine Reihe von Förderern aus dem wissenschaftlichen, öffentlichen und wirtschaftlichen Bereich zählen zu den Unterstützern.
Eine dreiköpfige Kieler Projektgruppe, entstanden aus der Zusammenarbeit zwischen der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und der Klinik für Zahnärztliche Prothetik, Propädeutik und Werkstoffkunde des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, und mit Unterstützung der Christian-Albrechts-Universität, hatte die wissenschaftliche Vorarbeit für das Projekt geleistet, das im April letzten Jahres startete. Das Forscherteam besteht aus PD Dr. Katrin Hertrampf, MPH, Prof. Dr. Jörg Wiltfang und Prof. Dr. Hans-Jürgen Wentz. Die Kampagne verknüpft eine Kombination von Massenmedien, wie Postern in Bussen und Bahnen, Faltblättern bei Ärzten, Zahnärzten und Apotheken sowie von Institutionen wie Stadtmissionen, Verbraucherzentralen, Gesundheitsämtern und Wohlfahrtsverbänden und anderen. Außerdem werden Ärzte und Zahnärzte direkt angesprochen. Gestützt wird die Aktion durch ein PR- und medizinjournalistisches Netz mit entsprechenden Veröffentlichungen und eine eigene Website. Außerdem wird an Aktionsstandorten ein überdimensionales aufblasbares und begehbares Mundmodell aufgestellt, das regelmäßig große Aufmerksamkeit erregt. Flankiert wird die Kampagne durch die Berichterstattung in Zeitungen, Radio und TV.
„Die Idee entstand vor dem Hintergrund, dass die Standards in Diagnostik und Therapie bei dieser Tumorentität sich kontinuierlich verbessert haben, die Betroffenen aber nach wie vor sich erst im fortgeschrittenen Tumorstadium vorstellen“, erläutert die Initiatorin, PD Dr. Katrin Hertrampf. „So lag die Vermutung nahe, dass die Bevölkerung diesen Tumor nur ungenügend kennt und somit auch Anzeichen, Symptome, mögliche Risikofaktoren, aber auch Präventionsmöglichkeiten nicht bekannt sind.“ Das wollte Hertrampf gemeinsam mit ihren Mitstreitern ändern.
Dazu musste aufwändige wissenschaftliche Vorarbeit geleistet werden. Neben der Ermittlung des repräsentativen Kenntnisstandes der Bevölkerung zu dieser Erkrankung und einer Zielgruppenerhebung nebst qualitativer Analyse von Probanden daraus, zählte auch eine Feinaufschlüsselung der Daten zu dieser Tumorentität aus dem Krebsregister dazu. Zur weiteren Vorbereitung zählte die Einbindung von Zahnärzten und später auch Ärzten (wie HNO, Dermatologen oder Hausärzte) in die Kenntnisstanderhebung. “ Bei den Zahnärzten schloss sich eine einjährige Schulungsintervention an, wo wir über verschiedene Medien zur Erkrankung und über die Durchführung einer standardisierten Mundschleimhautuntersuchung informiert haben. Nach dieser einjährigen Schulungsphase haben wir den Kenntnisstand der Zahnärzte erneut erhoben“, beschreibt PD Dr. Hertrampf die umfangreichen Vorarbeiten, die sich über mehrere Jahre hinzogen.
Der Aufwand hat sich offenbar gelohnt, so das Fazit, nachdem mehr als die Hälfte der auf zwei Jahre vorerst angelegten Kampagnendauer verstrichen sind. Hertrampf: „Wir konnten seit Kampagnenstart viele weitere Institutionen und darüber hinaus auch Medien und Sponsoren gewinnen, die dieses Projekt unterstützen. Inwieweit die messbare Wahrnehmung innerhalb der Bevölkerung jetzt schon einen ersten positiven Trend zeigt, wird die gerade laufende erste große Befragungswelle zeigen. Ich denke, dass wir hier in Kürze die ersten Ergebnisse vorliegen haben.“
Der Mensch ist ein Augentier – diese Tatsache greift die Kampagne mit einem aufblasbaren und begehbaren Mundmodell auf. „Das Modell macht Menschen neugierig, und sie können sich auf unkonventionelle Weise über dieses Thema informieren“, stellt Katrin Hertrampf zufrieden fest. Das Modell wanderte durch Einkaufspassagen, Rathäuser und Kreishäuser u.a. in Lübeck, Kiel und Flensburg und stieß jedes Mal auf große Resonanz. Neue Standorte und Termine für 2013 sind bereits vereinbart. Die Produktion des Modells, aber auch die Kosten für das Aufstellen, werden von verschiedenen Einrichtungen getragen, nämlich vom Landes-Sozialministerium, der Schleswig-Holsteinischen Krebsgesellschaft, der Schleswig-Holsteinische Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde sowie aus Spenden.
Neben dem potenziellen Benefit für die Patienten profitiert auch die Zahnmedizin insgesamt von der Kampagne, glaubt Hertrampf. Sie werde über die Beschäftigung mit der Krankheit stärker wahrgenommen. Katrin Hertrampf: „Nach Auswertung aller Ergebnisse werden wir das Gespräch mit Vertretern der Wissenschaft und der Standespolitik aufnehmen, um gemeinsam eine Empfehlung für das weitere Vorgehen auszusprechen.“ Das könnte die Übertragung des Modells auf die Bundesebene bedeuten. Daran, so Präsident Prof. Schliephake, werde sich die DGZMK gern beteiligen.