Abrechnung und Prüfverfahren
Aus aktuellem Anlass soll hier nochmals auf die vom SGB V vorgesehenen Prüfverfahren eingegangen werden.
Prinzipiell geht die Behandlung von Versicherten der GKV so vor sich: der Versicherte legt seinen KV-Ausweis (KVK) vor, dieser wird eingelesen, und danach gelangt der Patient in die Therapie. Um möglichem Missbrauch seitens der Versicherten vorzubeugen sind die Versichertenausweise mittlerweile mit dem Bild des Versicherten ausgestattet. Damit soll verhindert werden, dass eine Versichertenkarte für die ganze (nicht versicherte) Familie genutzt wird. Der Zahnarzt bzw. seine Mitarbeiter sind als Angehörige des öffentlichen Gesundheitswesens verpflichtet die Identität zu prüfen, so weit es möglich ist (also jedes Mal prüfen, ob das Ausweisbild tatsächlich den Versicherten zeigt). Bei privat Versicherten ist es schon eine Maßnahme des Selbstschutzes, sich auch den Personalausweis zeigen zu lassen, obgleich auch hier Versichertenausweise ausgegeben wurden, die man ebenso in die EDV einlesen sollte. Denn, bei „Privat“ Versicherten wird ebenfalls seitens der Patienten häufig versucht zu betrügen.
Der Schaden durch betrügerische Aktivitäten von Versicherten geht in die Milliarden jährlich, dies kann man aus den Daten anderer Versicherungen abschätzen (KFZ-Haftpflicht, Hausrat, usw.). Versicherungsbetrug scheint ein Volkssport geworden zu sein.
Stellt die Praxis einen Betrugsversuch fest sollten die Strafverfolgungsbehörden informiert werden. Betrug zu Lasten der Allgemeinheit ist keine kleine „Sünde“, es ist ein Verbrechen und wird ggflls. mit Freiheitsstrafe geahndet.
Dass die Strafverfolgungsbehörden mittlerweile härter geworden sind zeigen zahllose Bespiele neueren Datums: da wurde der frühere Präsident des FC Bayern München mit 3,5 Jahren bestraft (Steuerverkürzung), er kam nur deshalb so glimpflich davon, weil ihm die Richter seine Story wohl abgenommen haben, dass er das Ganze nicht so ganz verstanden hätte, sonst wäre da wohl deutlich mehr herausgekommen. Er war gut beraten das Urteil sofort anzunehmen, und er hatte Glück, dass die Staatsanwaltschaft auf einen Revisionsantrag verzichtet hat.
In den Jobcentern werden Bezieher von Sozialleistungen („Hartz IV“) ebenfalls hart angefasst, wenn sich der Verdacht ergibt, der Bezug könnte zu Unrecht erfolgen. Die Bediensteten der Jobcenter haben strenge Dienstanweisung, hier umgehend die Strafermittlungsbehörden beizuziehen.
Die Message ist klar: wir wollen hier keine griechischen (oder italienische, oder, oder…) Verhältnisse. Noch sind die deutschen Beamten immun gegen Korruption, weitgehend jedenfalls. Zuwiderhandlungen führen sofort zur Bestrafung und Entlassung aus dem Staatsdienst.
Ähnliches gilt jedoch auch für die Praxis: Der Zahnarzt ist Angehöriger des Gesundheitswesens und hat öffentliche Aufgaben zu erfüllen. Damit unterliegt er wie der Beamte besonderen Anforderungen und wird im Fall eines Fehlverhaltens doppelt bestraft. Nach einem „normalen“ Strafverfahren wird er in einem zweiten Verfahren (Disziplinarverfahren) nochmals bestraft, analog dem Beamten. Dies ist seiner besonderen Stellung geschuldet, die „Vertrauenswürdigkeit“ als elementares Kriterium beinhaltet. Fehlverhalten wird streng geahndet.
Um dies dauerhaft zu gewährleisten (Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser) wurden Kontrollmechanismen per Gesetz installiert, die einem möglichen Missbrauch vorbeugen sollen.
Insbesondere ist die vorgeschriebene Übermittlung aller Abrechnungsdaten in digitaler Form (Computerlesbar) ein probates Mittel der Prüfinstanzen. Es wird nur den EDV-Systemen eine Zulassung erteilt, die Datum und Uhrzeit beim Einlesen der Versichertenkarte erfassen. Ein nachträgliches „Frisieren“ von Abrechnungsdaten wird vom System erfasst und so den Prüfern verfügbar gemacht. Der Einsatz nicht genehmigter Systeme ist unzulässig.
Ebenso wird zeitgenau erfasst wann die Leistungen eingetragen wurden, eine nachträgliche Korrektur ist praktisch unmöglich, das System zeichnet dies auf. Eine Nachbearbeitung würde als Urkundenfälschung strafrechtlich relevant.
Die eingesandten Abrechnungsdaten werden von Prüfprogrammen hinsichtlich „Plausibilität“ gecheckt. Geringfügige Abweichungen werden (nicht vom Programm, jedoch vom Auswerter) toleriert, größere Abweichungen ziehen unweigerlich eine Prüfung nach sich. Prüfroutinen sind z.B. Analysen des Leistungsgeschehens (also beispielsweise zu viele Abrechnungspositionen an einem Tag), und natürlich auch der Abgleich von Datum und Uhrzeit. So ist es ein Leichtes, Unregelmäßigkeiten festzustellen.
Ebenfalls der Prüfroutine unterworfen ist („Wirtschaftlichkeitsprüfung“) die Häufigkeit einzelner Leistungsziffern im Vergleich zum Landesdurchschnitt sowie das gesamte Leistungsvolumen je Fall.
Gerät man in eine Auffälligkeitsprüfung, so wird ein Prüfantrag gestellt, der von der Prüfstelle zu bearbeiten ist. Darüber hinaus ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass Stichprobenprüfungen erfolgen müssen.
Praxen, die aufgefallen sind, werden dann regelmäßig weiteren Prüfungen zugeführt.
Die Prüfungsstellen werten Verstöße nicht nur hinsichtlich eventueller Regresse aus. Bei Verdacht auf strafbare Handlungen werden (dies ist eine Muss-Vorschrift) die Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft) in Kenntnis gesetzt. Ein Zwischending ist das Disziplinarverfahren. In diesem wird – als berufsinternes Verfahren – analog zu einem Gerichtsprozess unter Vorsitz eines Juristen der Fall aufgearbeitet und es werden ggflls. Strafmaßnahmen festgesetzt, die von Geldbußen bis hin zum Entzug der Zulassung reichen. Freiheitsentzug darf die Disziplinarkammer nicht verhängen.
Jedoch sind die Disziplinarkammern gesetzlich verpflichtet, bei Anschein betrügerischer oder anderer gesetzwidriger Handlungen unmittelbar die Strafverfolgungsbehörden einzuschalten. Dazu gehört z.B. (neben Betrugsverdacht) auch die Körperverletzung (z.B. ärztliche Handlungen durch nichtärztliches Personal, schwere Behandlungsfehler, etc.). Unkollegialität, Verstöße gegen Wettbewerbsrecht, o.ä. regeln die Disziplinarkammern selbst.
Weshalb dieses strenge Korsett?
Der (Zahn)Arzt genießt eine Vertrauensstellung in der Öffentlichkeit, ein Patient muss sich darauf verlassen können, dass er nicht unter die Räuber fällt. Die besondere Stellung wurde in zahlreichen Urteilen des BGH betont, weshalb ein Zahnarzt in einem Strafverfahren härter bestraft wird als ein „Normalbürger“. Bei aller Diskussion über unzulängliche Honorierung darf das einfach nicht vergessen werden…