Online-Magazin für die Zahnarztpraxis

Die praxistaugliche digitale Abformung

Vier Jahre Intraoral – Scanning mit Cadent iTero

Die praxistaugliche digitale Abformung – ohne Abformlöffel und Puder 

 

Ein Erfahrungsbericht von
Dr. Johannes und Dolores Zimmermann, Zahnärzte, Aichach

 

Eines der Schwerpunktthemen auf der IDS 2013 in Köln war zweifellos die Erweiterung der digitalen Prozesskette durch die neuesten  Entwicklungen von Intraoralscannern. Diese werden in Zukunft der erste Schritt bei der CAD/CAM Produktion von Zahnersatz sein.

 

Digitale intraorale CAD / CAM Abformsysteme wurden Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts in der Zahnmedizin mit „Cerec I“ eingeführt. Seither haben viele namhafte Anbieter diese Technologie im Programm: Unter anderen beispielsweise 3M Espe (St. Paul, MN, USA) den Lava C.O.S. und Heraeus (D, Hanau) das Cara-System von 3 Shape ( DK, Kopenhagen). Seit September 2009 nun hat auch der Vorreiter Sirona (Bensheim, Deutschland) das Cerec – Programm mit dem „Connect“ – Baustein vom „in office“ zum „out of office“ erweitert. Mit der Omnicam ist nun auch ein puderfreies System im Angebot.

 

Die exakte, rasche und den Patienten wenig belastende Abformung ist nach wie vor eine der größten Herausforderungen für den Zahnarzt, vor allem bei laborgefertigten, festsitzenden Restaurationen.

 

Alle diese Systeme erzeugen mittels Einzelbildern, Videofilm oder Aufnahmen von Datenvolumen eine digitale Registrierung der Mundsituation: Aus dem erstellten Datensatz wird mit Hilfe unterschiedlicher Verfahrenstechniken ein virtuelles oder auch ein physisches Meistermodell erstellt. Schließlich fertigt das zahntechnische Labor mit CAD/CAM Design und abschließender traditioneller  Handarbeit  Kronen, Brücken, Inlays oder Implantat – Abutments  oder ähnliches an.

 

Gemeinsam sind den oben genannten Systemen die Tatsachen, dass zum einen zur Vermeidung von Reflektionen vielfach eine Puderbeschichtung  notwendig ist, des weiteren  wenig Langzeiterfahrungen aus der Praxis bestehen und letztendlich die Anschaffung der Scanner relativ kostenintensiv ist.

 

Doch es gibt durchaus eine Alternative, die ohne Puder exzellente Ergebnisse liefert und zudem schon einige Jahre (seit 2007) erfolgreich ihre Praxistauglichkeit in der alltäglichen Arbeit mehrerer tausend Praktiker bewiesen hat.

Die Autoren  hatten die Gelegenheit mit dem iTero Electronic Impression Device von Cadent       ( Aligntec, San Jose, CA, USA) Erfahrungen in der zahnärztlichen Praxis über nunmehr fast viereinhalb Jahre zu sammeln. iTero leitet sich vom lateinischen  „iterum“ (= wiederum, immer wieder) ab und verspricht einen dauerhaften und jederzeit überall wiederholbaren Behandlungserfolg.

 

 

Das Ziel der digitalen Abformung mit einem elektronischen digitalen Scan ist prinzipiell das gleiche wie bei der herkömmlichen Methode mit Elastomer- Abformmasse und Abformlöffel: Der Zahnarzt will eine präzise Aufzeichnung seiner Zahnpräparation mit eindeutig definierbarer Präparationsgrenze sowie eine exakte Abbildung der Nachbarzähne und -gewebe inclusive der Gegenbezahnung in der richtigen okklusalen Relation darstellen.

Das zahntechnische Labor benötigt perfekte Arbeitsunterlagen um eine optimale zahntechnische Arbeit anfertigen zu können – ohne Unvollständigkeiten, Luftblasen, Blut- oder Speichelschlieren oder ungenauen Präparationslinien.  Natürlich ist  genügend Platz für das ZE-Material notwendig für  eine stabile aber natürliche Kauflächengestaltung.

 

Der Patient wünscht sich bei der Abformung keine großen Abdrucklöffel mit herausquellender und unangenehm schmeckender  Abformmasse für 3-6 Minuten in seinem Mund! Dazu kommen oft Würgereiz, Schluckzwang durch erhöhten Speichelfluss,  Hustenreiz und Erstickungsängste hinzu. In jedem Fall muss jedoch der Abformlöffel im Mund bleiben, bis die Masse vollständig ausgehärtet ist.

 

Seit Anfang November 2008 hatten die Autoren durch Vermittlung des damals in Palm Beach, Florida, USA, tätigen Augsburger Zahntechnikermeisters Christopher Jehle ( Zirkon Customs mit Michael J. Hennessy Dental Lab, Riviera Beach, Florida, USA) die Gelegenheit, digitale Abformungen mit dem iTero Abformsystem von Cadent durch Eigenimport des Gerätes kennenzulernen. Durch die spezielle Konstruktion des Aufnahmekopfes können hierbei mit der „confocalen Aufnahmetechnik“ exakte intraorale Digitalscans von puderfreien Oberflächenstrukturen erstellt werden

2009 hat die Firma Straumann ( Basel, CH) und im  Herbst 2012 Aligntec ( San Jose, CA,USA ) den Vertrieb für Europa übernommen.

 

Das Praxisteam und die beiden Zahnärzte wurden zu Anfang intensiv an 2 aufeinanderfolgenden Tagen von einer Itero Trainerin mit 5 dafür vorbereiteten Patientenfällen in die Funktionsweise und Routine des  digitalen Abformystems eingewiesen.  Die Arbeitsabläufe bei einem Scan sind unkompliziert, denn eine Computerstimme leitet den Anwender. Auditiv und visuell gibt  die Software den Scanablauf vor.

 

Zunächst werden in ein Formular auf dem Bildschirm die Patientendaten, das Fertigstellungsdatum, der zu behandelnde Zahn/Zähne, die geplante Versorgung und das gewünschte Material eingetragen, wobei alle verfügbaren Werkstoffe wie Keramiken, Edelmetalle, NEM, etc. hinterlegt sind. Dabei sind fehlende Zähne, Lückenschlüsse und vorhandene dritte Molaren anzugeben. Die Behandler – und Labordaten sind voreingestellt bzw. auswählbar.

Nach der Farbnahme müssen für jeden Zahn Angaben über die Farbgestaltung, Präparationsform und gegebenenfalls zusätzliche Notizen für das Labor eingegeben werden.

 

Die Software definiert  automatisch die benötigten Kieferbereiche für das spätere Modell. Bereits zu diesem Zeitpunkt können Zahnarzt oder Assistenz die Gegenbezahnung aufnehmen, solange die Anästhesie wirkt. Dabei gibt das Programm vor, welcher Zahn in welcher Position zu scannen ist. Der Anteil des Handstückes, der mit dem Patientenmund in Berührung kommt, ist ein Einmal – Kunststoffüberzug mit transparentem Fenster. Probleme mit den Hygienerichtlinien sind somit ausgeschlossen.

 

Nun wird die Präparation durchgeführt und in gewohnter Weise am besten mit zwei übereinander gelegten Retraktionsfäden die Präparationsgrenze sauber, blut- und speichelfrei dargestellt. Das Programm gibt bei der optischen Abformung wieder die genaue Systematik vor, wobei ein präparierter Zahn  mindestens drei Aufnahmen und die umgebende Bezahnug mindestens zwei Aufnahmen je Einheit benötigen. Abschließend wird der Schlussbiß in habitueller Okklusion mit zwei Scans registriert.

Nach einer Bildverarbeitungszeit von knapp einer Minute können durch „matchen“ der Einzelbilder jetzt Zahnarzt und Patient die virtuelle Abformung kritisch betrachten. Eine Höhenlegende mit Farbabstufung von rot nach grün zeigt, ob für das ausgewählte Material der Zahn genügend reduziert wurde. Falls nötig kann sogleich nachpräpariert und erneut gescannt werden. Alle Präparationsränder werden vergrößert, gedreht, gekippt, von zirkulär kontrolliert und zwar sowohl  als Einzelkiefer als auch  in Verzahnung mit dem Gegenkiefer. Sollten nicht alle Bereiche optimal erfasst worden sein, gibt es die Möglichkeit mit weiteren Zusatzscans  fehlende Daten durch Überlagerungen nachzubessern.

 

Für die Erfassung von Kiefersegmenten sind zumindest 21 Einzelaufnahmen erforderlich, ganze Zahnbögen benötigen entsprechend mehr Aufnahmen. Der durchschnittliche Zeitaufwand für die Aufnahme einer Einzelkrone beträgt  inklusive Gegenkiefer und Bißregistrierung ca. dreieinhalb bis fünf Minuten.

 

Ist der Oralmediziner mit der Aufnahme zufrieden, wird mittels  Mausklick  der Datensatz drahtlos über den WLAN Router per  Internetverbindung zu Cadent geschickt, dort registriert und an das ausgewählte Labor weitergesandt. Der Zahntechniker erhält dann den Datensatz auf seinen Computer, kontrolliert und bestimmt mit Hilfe von CAD Werkzeugen die Präparationsgrenzen.

Das eigentliche Modell wird anschließend aus Polyurethanblöcken herausgefräst: Der Präparationskiefer hat herausnehmbare Einzelstümpfe und kann in einem Artikulator eindeutig in Okklusion zugeordnet werden. Nach zwei bis vier Tagen wird das fertige Modell  dann im Labor auf dem Tisch des Zahntechnikers zur Kontrolle des bereits gefertigten CAD/CAM designten Zahnersatzes stehen. Der digitale Laborauftrag und Digitalfarbfotos mit Farbvergleichsmustern liefern die Informationen für die Ästhetik beim Finish.

 

Die Autoren haben seit November 2008 ca. 600 Arbeiten bei unseren Patienten definitiv eingegliedert. Es mussten keine Arbeiten unmittelbar wiederholt werden, jedoch wurden zwei Zirkoniumoxid-Kronen  wegen Verblendungsbrüchen („Chipping“) neu eingegliedert.

 

Die Passgenauigkeit entsprach bei der klinischen Kontrolle in puncto Friktion, Randschluss,      Approximalkontakten und Okklusionskontakten dem gewohnten hohen Qualitätsstandard.

In der Regel ist bei einer iTero Restauration keine oder nur minimale Anpassung der okklusalen oder approximalen Dimension notwendig. Die Modellsituation entspricht  mit hoher Präzision der tatsächlichen Mundsituation.

Der gewohnte Arbeitsablauf in der Zahnarztpraxis musste nicht wesentlich geändert werden. Das digitale Abformsystem ließ sich in kürzester Zeit problemlos in den Arbeitsalltag unserer    Zahnarztpraxis integrieren.

 

Fazit

 

Die Herausforderung und das Wagnis,  ein digitales Abformsystem anzuschaffen, haben weder die Autoren noch das involvierte Praxisteam bereut. Diese eher kleine Veränderung hat in der Folge die Praxisroutine optimiert und die Wirtschaftlichkeit verbessert.

Die Autoren haben jetzt wieder großen Spaß an einem vorher als lästig empfundenen notwendigen Behandlungsschritt, den Abformungen. Kein Abdruck musste wegen des Anrufes des Zahntechnikers, weil irgendwas mit dem Modell, dem Präparationsrand oder der okklusalen Reduktion nicht stimmt, wiederholt werden. Und kein Patient musste wiederholt kommen und anästhesiert werden wegen einer erneuten Abformung. Die Kommunikation mit dem Labor ist einfacher und effektiver geworden: Ein übermitteltes Bild sagt mehr als tausend Worte und dabei ist es unerheblich, wo auf der Welt sich Zahnarzt und Zahntechniker befinden.

 

Die digitale Darstellung erzieht uns Zahnärzte  zu Demut und zu  besseren Präparationen, denn in der stark vergrößerten 3 D Ansicht bekommen wir schonungslos die Schwächen einer vermeintlich perfekten Präparation vor Augen geführt!

Die Patienten wissen es zu schätzen, dass kein Würgereiz zu spüren ist und Luftholen oder Schlucken während der Abformung möglich sind. Hinterher sind weder Gesicht, Bart noch Kleidung mit Elastomermasse verschmiert.

Das Assistenzpersonal muss keinen Auftragszettel mehr schreiben, nichts mehr desinfizieren, einpacken und verschicken. Das Behandlungszimmer ist schneller aufgeräumt und hygienisch gesäubert.

Die Patienten assoziieren sehr wohl eine High Tech Ausstattung in der Praxis mit hohem Fortbildungsstand und Leistungsfähigkeit des Zahnarztteams.

 

Die Vision der abformmassenfreien Zahnarztpraxis ist Wirklichkeit geworden: Die Zukunft ist  digital !

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

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