In der Diskussion über Risikoberufe während der COVID-19-Pandemie wird eine Gruppe von vielen vergessen: Die Zahnärzte.
Als Zahnarzt ist die allgemein dringende Vorgabe, sich nicht ins Gesicht zu fassen, nicht einhaltbar. Einen Sicherheitsabstand von mindestens ein bis zwei Metern zu wahren, ist hier schlichtweg nicht möglich. Viel schlimmer noch: Zahnärzte fassen ihren Patienten während der Behandlung gezwungenermaßen direkt in den Mund.
Patienten sind dazu angehalten, nur im Notfall zu kommen und einige Praxen haben ihre Tätigkeit auf die Notfallversorgung heruntergefahren. Das funktioniert allerdings nicht überall. Viele Zahnärzte arbeiten weiter, weil sie müssen. Denn nur bei ausdrücklichem Verbot oder Anordnung von Quarantäne aus infektionsrechtlichen Gründen haben die Praxen Anspruch auf Entschädigung für die Schließung ihrer Praxis. Jetzt liegt ein Maßnahmenpaket der Zahnärzteschaft für die Aufrechterhaltung der Versorgung vor.
„Sitzen mitten in der Aerosolwolke“
Wie besorgniserregend die aktuelle Lage für Dentalmediziner ist, macht auch das Feedback deutlich, das uns erreicht. So berichtet ein Zahnarzt, warum gerade die Arbeit im Dentalbereich ein so großes Ansteckungsrisiko mit sich bringt: „Wir sitzen bei der Behandlung mit wasserbetriebenen Geräten mitten in der womöglich virenbelasteten Aerosolwolke, die uns und unsere Mitarbeiterinnen unmittelbar gefährdet. Das Aerosol befindet sich auch dann noch in der Raumluft, wenn der Patient die Praxis längst verlassen hat. Nachfolgende Patienten können unwissentlich infiziert werden und tragen das Virus in ihre Familien. Zahnarztpraxen müssen daher als Multiplikatoren angesehen werden.“
Überall würden Masken und sonstige Schutzmittel knapper, wenn sie überhaupt noch vorhanden seien, wie aus Kommentaren hervorgeht. Wie soll man sich als zahnmedizinisches Personal vor Infektionen schützen? Glaswände zu installieren, wie es etwa in Apotheken geschieht, funktioniert in der Praxis allenfalls vorn am Tresen, nicht aber während einer Behandlung, das ist klar.
„Bin ein sogenannter Superspreader“
Viele Zahnärzte würden ihre Praxis deshalb gerne schließen. „Ich bin als Zahnarzt ein sogenannter Superspreader des Virus“, erzählt ein junger Zahnarzt auf Twitter. „Ich darf meine Praxis momentan offiziell (noch?) nicht schließen. Ich ziehe ab heute in die Wohnung über meiner Praxis, damit ich meine Familie (3x mal Risikogruppe) zuhause nicht anstecke.“ Einige Zahnärzte schließen mittlerweile eigenmächtig ihre Praxen, um ihre Mitarbeiter und ebenso ihre Patienten zu schützen.
Wie soll es weiter gehen?
Vor wenigen Tagen gab es erstmals eine Pressemitteilung, in der Maßnahmen während der Pandemie angekündigt wurden. Das Paket wurde gemeinsam beschlossen von der Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen der Länder (KZVen). Man stehe mit dem Bundesgesundheitsministerium in Kontakt und suche nach Lösungen.
Die zentralen Punkte des Maßnahmenpakets lauten:
- Sicherstellung der (vertrags)zahnärztlichen Versorgung von Patienten ohne Corona-Problematik: „Nach Abklärung und Ausschluss von besonderen Infektionsrisiken seitens des Patienten sollen die Zahnärztin oder der Zahnarzt gemeinsam mit dem Patienten entscheiden, ob eine geplante Behandlung unter den vorherrschenden Gegebenheiten wirklich erforderlich ist oder zunächst aufgeschoben werden kann“, heißt es in dem Schreiben.
- Notfallbehandlung infizierter und unter Quarantäne stehender Patienten: Generell soll die Behandlung von infizierten oder unter Quarantäne gestellten Patienten in den Praxen so gut es geht vermieden werden, außer es handelt sich um Notfälle. In diesem Fall wird die Behandlung in Kliniken vorgeschlagen, die in irgendeiner Weise auf Zahnmedizin spezialisiert sind. Dafür wurde auf Länderebene eine zentrale Telefon-Hotline bei KZVen („Corona Nummer“) eingerichtet, auf die Patienten weitergeleitet werden, wenn sie die 116/117 oder den Notruf wählen.
- Hilfen zum Umgang mit Termin- und Behandlungsnachfragen: Auf der Website der BZÄK soll es bis zum kommenden Dienstag detaillierte Empfehlungen dazu geben, wie im Einzelfall das Management der zahnärztlichen Behandlung von der Kontaktaufnahme des Patienten bis hin zur Behandlung/Behandlungsverschiebung erfolgen sollte.
- Zentral beschaffte Schutzausrüstung: Für unaufschiebbare zahnärztliche Behandlungen von Patienten, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben oder bei denen ein Verdacht besteht, haben KZBV und GKV-Spitzenverband eine Vereinbarung über die zentrale Beschaffung von Schutzausrüstung getroffen.
- Beschaffung, Verteilung und Auslieferung von Hygieneartikeln: Das BMG wird dringend um Unterstützung gebeten, was die Ausstattung mit Hygieneartikeln wie Hand- und Flächendesinfektionsmittel, Mund-Nasen-Masken und Einmalhandschuhe betrifft.
- Diskussionen über mögliche Praxisschließungen: Was das Schließen von Praxen angeht, ist die Formulierung im Schreiben sehr klar. „Angeordnete Praxisschließungen, wie sie inzwischen von einigen Zahnärztinnen und Zahnärzten gefordert werden, stehen nicht zur Diskussion und sind auch aus rechtlichen Gründen nicht ohne weiteres möglich.“
- Maßnahmen zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der Praxen: Ähnlich wie bei den Kliniken soll auch für die Zahnarztpraxen ein Schutzschirm aufgespannt werden, so der Appell. Um Praxisbetriebe auch nach der Pandemie aufrechterhalten zu können, fordert die KZBV von der Bundesregierung, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
- Kinderbetreuung für Zahnärzte und Praxispersonal als systemrelevante Berufe: Trotz genereller Schließungen oder Betretungsverbote von Kindertagesstätten gibt es Ausnahmen für sogenannte „systemrelevante Berufe“. Im Text wird kritisiert, dass nicht alle Länder den Zahnarztberuf als solchen eingestuft haben und geht davon aus, dass dieser Schritt noch bevorsteht.