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Aufklärung zu Lokalanästhesie

Lokalanästhesie: Aufklärung über Risiken und Alternativen

Lothar Taubenheim, Dr. Wolfgang Bender 

Eine erfolgreiche Lokalanästhesie ist die Voraussetzung fast aller zahnärztlichen Behandlungen. Weltweit gelehrt und täglich angewandt werden die Infiltrationsanästhesie und die Leitungsanästhesie des N. alveolaris inferior, wenn die Terminalanästhesie nicht applikabel ist.

In vielen Fällen stehen die Risiken der zahnärztlichen Behandlung in direktem Zusammenhang mit der Lokalanästhesie. Vor den therapeutischen Maßnahmen erfolgt – meistens – eine Schmerzausschaltung, i. d. R. durch eine örtliche Betäubung. Dazu wird – gelehrt und praktiziert – im Unterkiefer-Seitenzahn-Bereich eine Leitungsanästhesie gesetzt, ansonsten wird eine Infiltrationsanästhesie appliziert.

 

Bei einer Leitungsanästhesie am Foramen mandibulare kann es durch die eingeführte Injektionsnadel zu einer Gefäßläsion und dadurch verursachten Blutungen kommen, was durchschnittlich bei mehr als 20 % der Patienten der Fall ist [8, 20]. Auch bei einer Infiltrationsanästhesie im Oberkiefer kann es zu einer Gefäßverletzung kommen.

 

Die Folge des Gefäßkontakts ist in vielen Fällen ein Hämatom, das im Oberkiefer zu einer Parulis und im Unterkiefer zur reflektorischen Kieferklemme führen kann. Die Kieferklemme tritt meist nach einem Tag auf – infolge des Hämatoms [1]. Auch wenn beide Effekte nach einigen Tagen abklingen, so ist der Patient während dieser Zeit signifikant eingeschränkt. Bei Patienten unter Antikoagulatien-Therapie kann es durch die Blutung zu einer massiven Hämatombildung mit schwerwiegenden Folgen kommen [24].

 

Bei der Einführung der Injektionsnadel (Kanüle) in den Mandibularkanal ist es auch noch möglich, mit der Nadelspitze unbeabsichtigt einen Nervenstrang (Nervus lingualis und/oder N. alveolaris inferior) zu treffen, was einen hellen Schmerz verursacht (Nervkontakt). Die Kanüle muss dann umpositioniert werden. Nach Neupositionierung der Kanüle erfolgt die Injektion des Anästhetikums.

 

Bis zum Eintritt der Anästhesie dauert es einige Minuten (Latenzzeit). Dies ist auch bei einer Infiltrationsanästhesie der Fall. Der Eintritt der Anästhesie wird durch eine Sondierung oder einen Kältetest festgestellt. Es ist möglich, dass die Schmerzausschaltung nicht eintritt (partieller Anästhesieversager) und ein zweiter Versuch nötig wird. Dabei kann es im Unterkiefer – in sehr seltenen Fällen – zu einem Nervkontakt und einer Läsion kommen, ohne dass der Patient eine Möglichkeit der Reaktion hat.

 

Auch in Abhängigkeit der injizierten Anästhetikummenge hält die Betäubung nach Abschluss der Behandlung noch einige Zeit an (Anästhesiedauer). Artikulation und Mastikation (Sprache und Kaumöglichkeit) sind während dieser Zeit eingeschränkt.

 

Über diese möglichen Komplikationen ist der Patient vor der angezeigten Lokalanästhesie und der Behandlung aufzuklären.

 

Alternativen der Leitungs- und der Infiltrationsanästhesie

 

Bei einer angezeigten örtlichen Betäubung sind auch die in Betracht kommenden Alternativen mit den Patienten zu besprechen (BGB § 630 – Patientenrechtegesetz).

Dabei ist auf „medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden hinzuweisen, wenn diese zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungs-(Erfolgs-)chancen führen können.“

 

Die Aufklärung muss für den Patienten verständlich sein und durch eine Person erfolgen, die über die notwendige Ausbildung verfügt; ergänzend kann auch auf Unterlagen Bezug genommen werden, die der Patient in Textform erhält. Die Aufklärung muss so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann (s. Tabelle 1).

 

Die orale Lokalanästhesie ist der gelehrte und weltweit praktizierte Standard der Schmerzausschaltung in der Zahnheilkunde. Sie kann bei Bedarf mit Mitteln der Anxiolyse, Sedierung und der erweiterten Schmerzausschaltung, z. B. der Lachgasanästhesie, ergänzt werden [6, 18, 22].

 

Die zahnärztliche Behandlung in Intubationsnarkose (Allgemeinnarkose) ist in der zahnärztlichen Praxis nur nach strengster Indikation durchzuführen und nur bei entsprechenden räumlichen, personellen und apparativen Gegebenheiten zulässig. Die Anwesenheit eines Anästhesisten ist zwingende Voraussetzung [3].

 

Eine „gleichermaßen indizierte und übliche Methode“ der Leitungs- und der Infiltrationsanästhesie ist die „intraligamentäre Anästhesie (ILA)“, bei einem vergleichbaren Anästhesieeffekt mit geringeren Belastungen und ohne das Risiko eines Gefäß- und/oder Nervkontakts oder deren Verletzung. Eine Einschränkung der Dispositionsfreiheit nach Abschluss der Behandlung ist nicht gegeben [2, 17, 21].

 

Basis einer erfolgreichen „ILA“ ist ein adäquates Instrumentarium, die Anwendung bewährter Anästhetika mit Adrenalin [15] und die Beherrschung der Methode durch den Behandler [27].

 

Bei Beherrschung der Methode ist die intraligamentale Einzelzahnanästhesie als eine gleichwertige primäre Methode der oralen Lokalanästhesie bei allen Zähnen, für fast alle Indikationen [7, 13, 14, 16, 19, 23, 26] und weitgehend alle Patienten [9, 10, 17, 21] anzusehen, ausgenommen bei lang dauernden, großflächigen dento-alveolären chirurgischen Eingriffen, wo die ILA die Anforderungen nicht erfüllen kann [11, 12, 13], oder Patienten mit einem Endokarditisrisiko, bei denen eine intraligamentäre Anästhesie kontraindiziert ist [11, 12].

 

Die erfolgreiche intraligamentale Applikation von Lokalanästhetikum mit nur einer minimalen Anästhesieversagerrate und praktisch ohne Latenzzeit erfordert die Anwendung sensibler Instrumentarien, die dem Stand von Wissenschaft, Technik und Klinik entsprechen, z. B. der DIN-genormten Dosierradspritzen (Abb. 1) oder elektronisch gesteuerter Injektionssysteme (Abb. 2a).

 

 

 

Abb. 1: DIN 13989-genormte Dosierrad-Spritze für intraligamentale Injektionen.

 

 

 

Neben mechanischen Spritzensystemen stehen heute für intraligamentale Injektionen auch ausgereifte, elektronisch gesteuerte Injektionssysteme, z. B. das STA-System (SingleToothAnesthesia), zur Verfügung. Die Injektion erfolgt dabei „ohne Spritze“ durch einen „Zauberstab“ (Wand) (Abb. 2b) und reduziert die Aversion sensibler Patienten, vor allem von Kindern, gegen „die Spritze“.

 

 

 

 

 

Abb. 2a und 2b: Injektion ohne Spritze mit dem Zauberstab „Wand“.

 

Schlussfolgerung

 

Die international publizierten Ergebnisse aller klinischen Studien zeigen, dass die intraligamentäre Anästhesie (ILA) in der Zahnheilkunde eine medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methode der örtlichen Betäubung ist, aber zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Erfolgschancen führt und als Alternative zur Leitungsanästhesie des N. alveolaris inferior und zur Terminalanästhesie mit dem Patienten zu besprechen ist. Der Patient kann und muss seine Entscheidung treffen, für welche Methoden der Schmerzausschaltung – vor seiner zahnmedizinischen Behandlung – er sich entscheidet.

 

In Deutschland werden für alle behandelnden Zahnärztinnen und Zahnärzten, die während des Studiums noch nicht die Möglichkeit hatten, die intraligamentäre Anästhesie – als Alternative der Leitungs- und der Infiltrationsanästhesie – zu erlernen, Fortbildungsveranstaltungen, wissenschaftliche Publikationen und Fachbücher angeboten, um sich mit dieser „minimalinvasiven“ Methode der örtlichen Betäubung vertraut zu machen  [4, 5, 11, 12, 19, 25].

 

Die intraligamentale Applikation von Anästhetikum in den Desmodontalspalt ist, bei Anwendung sensibler Instrumentarien, leicht zu erlernen, da die Handhabung vollständig – von der Insertion der Kanüle bis zum Druckabbau nach durchgeführter Injektion – visuell kontrolliert wird.

 

Autoren

 

Lothar Taubenheim

Am Thieleshof 24

40699 Erkrath

E-Mail: LT.Lothar.Taubenheim@t-online.de

 

Dr. med. dent. Wolfgang Bender

Flachskampstr. 65
40627 Düsseldorf
E-Mail:            dr.w.bender@gmx.de

 

 

Tabelle 1

 

Patientenaufklärung über die Schmerzausschaltung – Örtliche Betäubung
Damit die besprochene und durchzuführende zahnärztliche Behandlung schmerzfrei durchgeführt werden kann, ist eine Schmerzausschaltung (Desensibilisierung) notwendig. 

Für die Schmerzausschaltung können verschiedene Möglichkeiten mit unterschiedlichen Belastungen, Risiken und Erfolgschancen angewandt werden.

 

Alle Behandlungen können in Intubationsnarkose (Allgemeinnarkose) erfolgen. Die Belastung des Patienten ist sehr groß, erfordert einen hohen Aufwand und ist nur in Ausnahmefällen angemessen.

 

Alternativ kann im Oberkiefer eine Terminalanästhesie erfolgen. Dabei wird das Anästhetikum mit einer feinen Nadel in das Gewebe, das den Zahn umgibt, nahe der Wurzelspitze infiltriert, um die Endverzweigungen der Nerven auszuschalten. Dabei kann es zu einem Kontakt mit einem Blutgefäß kommen. Die Anästhesie tritt nach einigen Minuten ein (Latenz) und kann einige Stunden anhalten.

 

Eine örtliche Betäubung im Unterkiefer-Seitenzahnbereich kann durch eine Leitungsanästhesie erreicht werden. Dazu wird Anästhetikum in die Nähe des Nervstrangs des Nervus alvolaris inferior eingespritzt. Die Anästhesie tritt mit einer Verzögerung (Latenz) von einigen Minuten ein. Der betroffene Unterkieferteil wird für einige Stunden vollständig anästhesiert.

 

Eine Einzelzahnanästhesie oder „intraligamentäre Anästhesie“ (ILA) ist fast immer möglich. Dazu werden mit einer sehr feinen Injektionsnadel geringe Mengen Anästhetikum am zu behandelnden Zahn in den Spalt zwischen Zahnhals und Zahnfleischsaum injiziert.

 

Über die von ihm gewünschte Methode der Schmerzausschaltung muss der Patient selbst entscheiden.

Vergleich der Lokalanästhesie-Methoden
 Terminalanästhesie  Leitungsanästhesie Einzelzahnanästhesie (ILA)
Anwendungsbereich Oberkiefer undUnterkiefer-Frontzähne UnterkieferSeitenzahnbereich Alle Zähne im Ober- und im Unterkiefer
Anästhesiebereich halber Kiefer halber Kiefer betroffener einzelner Zahn
Injizierte Anästhetikummenge 1 Zylinderampulle1,7 ml 1 Zylinderampulle1,7 ml pro Zahn etwa0,45 ml
Risiko eines Gefäßkontakts ~ 20 % ~ 20 % nicht gegeben
Risiko eines Nervkontakts gegeben gegeben nicht gegeben
Anästhesieeintritt(Latenz) nach einigen Minuten nach einigen Minuten unverzüglich(ohne Latenz)
Anästhesietiefe ausreichend ausreichend sehr tief
Dauer der Anästhesie einige Stunden einige Stunden ca. 30 Minuten
Einschränkungen Sprache und Kaumöglichkeit Sprache und Kaumöglichkeit keine
Anästhesieerfolg etwa 10 % Anästhesieversager etwa 10 % Anästhesieversager Anästhesieversager <5 %
Kontraindiziert bei Patienten unterAntikoagulanzien- Therapie Patienten unterAntikoagulanzien- Therapie Endokarditis-Patienten
Behandlung in mehreren Quadrantenin einer Sitzung kaum zumutbar nicht zumutbar problemlos möglich

 

Ich wünsche eine Behandlung unter örtlicher Betäubung und habe mich entschieden für:

 

die Terminal-(Infiltrations-)Anästhesie

die Leitungsanästhesie

die Einzelzahnanästhesie (ILA)

 

…………………………………………………. ………………….

Name und Unterschrift des Patienten           Datum

 

Literatur

 

  1. Bender W, Taubenheim L. Örtliche Betäubung: Infiltrations-, Leitungs- oder

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