Die DGZMK-Leitlinien-Beauftragte Dr. Kristina Selbach sieht auch für Studierende großen Nutzen in vermitteltem Basiswissen / DGZMK-Präsident Prof. Schliephake betont Bedeutung des Dialogs zwischen Hochschule und Praxis
Düsseldorf. Die aktualisierte Leitlinie „Fluoridierungsmaßnahmen zur Kariesprophylaxe“, die unter Mitarbeit von Prof. Dr. Elmar Hellwig, Prof. Dr. Ulrich Schiffner und Prof. Dr. Andreas Schulte erstellt wurde, steht nebst einer entsprechenden Patienteninformation auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (www.dgzmk.de) zum Download zur Verfügung. Die Aktualisierung erfolgte in Kooperation mit dem ZZQ (Zentrum Zahnärztliche Qualität). In der Leitlinie wird analysiert, welche Fluoridierungsmaßnahmen zur wirksamen Kariesprävention beitragen. Die Inhalte wurden in einem wissenschaftlichen Konsensusverfahren der beteiligten Fachgesellschaften und Verbände abgestimmt. Dabei konnte eine konsentierte Empfehlung zur Verwendung fluoridhaltiger Zahnpasta bei Kleinstkindern leider nicht erreicht werden.
„Der Konsens über die Kariesprophylaxe bei Kleinkindern ist zum einen an einem von den Vertretern der Pädiater wissenschaftlich nicht belegten, aber gefühlten Vorbehalt gegenüber der Anwendung von Zahnpasten gescheitert, dem zufolge Auswirkungen des Verschluckens von Zahnpaste durch die Kleinkinder nicht abzuschätzen seien. Zum anderen wurde keine Einigung über den Stellenwert von Studien für die heutige Karieslast erzielt, die vor fast 40 Jahren mittels Fluoridtabletten durchgeführt worden waren“, erklärt dazu Prof. Schiffner von der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (DGKiZ).
Ebenfalls in diesem Jahr fertig gestellt und abrufbar ist die Leitlinie „Operative Entfernung von Weisheitszähnen“, für sie stehen auch eine Lang- und eine Kurzfassung als Patienteninformation zur Verfügung.
„Leitlinien sollen den aktuellen Stand der Wissenschaft zu speziellen Fragen abbilden und stellen in der Medizin einen Leitfaden für die Qualität in der Gesundheitsversorgung und Entscheidungsfindung des Arztes dar. Eine individuelle Prüfung ist aber trotzdem unabdingbar“, beschreibt die neue Leitlinien-Beauftragte der DGZMK, Dr. Kristina Selbach (31), den Kern ihrer Arbeit. Die promovierte Biologin mit klinischer Monitoring-Erfahrung sieht noch viel Arbeit vor sich. Immerhin sollen alle bisherigen wissenschaftlichen Stellungnahmen sukzessive an den internationalen Leitlinien-Standard angeglichen werden, die bestehenden Leitlinien bedürfen regelmäßiger Aktualisierung. „Wichtig ist dabei, dass auch die Patienten an die jeweilige Information kommen und diese auch verstehen können. Als Endnutzer sozusagen, von denen ja letztlich auch ich einer bin.“ Die Leitlinien selbst müsse auch ein Studierender rasch erfassen können. „Vielleicht nicht so schnell wie ein Zahnarzt, aber als Basiswissen können sie Sicherheit geben“, ist Selbach überzeugt.
Fortschritte in der Diagnostik und Therapie erweitern permanent das Verständnis von Erkrankungen, deshalb ist ein regelmäßiger Abgleich der Evidenz bekannter Therapiestrategien und entsprechender Handlungsempfehlungen erforderlich, für Leitlinien ist dabei ein Drei-Jahres-Rhythmus vorgesehen. „Leitlinien haben die Aufgabe, demjenigen, der in der täglichen Arbeit in der Praxis oder Klinik für das jeweilige Krankheitsbild eine Therapieempfehlung sucht, den aktuellen Stand des Wissens zusammen zu fassen,“ beschreibt DGZMK-Präsident. Prof. Dr. Dr. Henning Schliephake, deren Funktion. „Dabei gelingt es nicht immer, hochrangige Evidenz für die Empfehlungen zu finden, im Gegenteil: nicht wenige Leitlinien bilden einen Konsens über eine ‚good clinical practice‘ ab, der unter Einbeziehung aller Mitglieder der breit aufgestellten Arbeitsgruppe erstellt wurde. Leitlinien sind also keine Kontrollinstrumente – auch wenn sie immer wieder als solche missinterpretiert werden –, sondern Hilfestellung und Unterstützung in der täglichen Arbeit“, stellt Prof. Schliephake fest.
Er legt bei der Erarbeitung der Leitlinien großen Wert auf die Praxistauglichkeit bei der Implementierung. „Exotenmeinungen werden durch den Konsensprozess aller Gruppen bei der Leitlinienerstellung eliminiert, und es gibt außerdem Fälle, in denen keine Empfehlung ausgesprochen werden kann“, erläutert Prof. Schliephake. So ließe sich am Beispiel der Leitlinie zur Wurzelspitzenresektion erkennen, dass in dem Fall, in dem keine Evidenz vorliegt und auch kein Konsens im Sinne einer „good clinical practice“ erzielt werden kann, auch keine Empfehlung ausgesprochen werde. Im Passus zur Frage der technischen Durchführung in der WSR-Leitlinie steht folgerichtig unter 9.2.2: „Die einzelnen Techniken der Wurzelspitzenresektion und die verwendeten Materialien unterliegen einer stetigen Weiterentwicklung. Eine generelle Empfehlung kann nach derzeitigem Wissensstand nicht ausgesprochen werden.“ Für die Erarbeitung neuer und die Aktualisierung bestehender Leitlinien sieht der DGZMK-Präsident den Dialog zwischen Hochschule und Praxis als unabdingbar an.
Weitere überarbeitete oder neue Leitlinien stehen kurz vor dem finalen Konsens. Darunter die Leitlinie zur „Therapie des dentalen Traumas im bleibenden Gebiss“ sowie die zur „Implantatprothetischen Versorgung des zahnlosen Oberkiefers“, kündigt die DGZMK-Leitlinien-Beauftragte an.