Vermehrt stellen sich Zahnarztpraxen die Frage, ob sie über die sog. 3G-Regel eine Zugangsbeschränkung herbeiführen dürfen, mithin, ob sich Patienten/innen, die nicht geimpft, nicht genesen sind und sich auch nicht einem Test unterziehen möchten, von der vertragszahnärztlichen Versorgung suspendieren. Notfälle selbstverständlich ausgenommen, insoweit besteht nach allgemeiner Auffassung eine Pflicht zur zahnmedizinischen Behandlung.
Das Meinungsbild bei dieser Fragestellung ist durchaus kontrovers ausgestaltet. Sowohl Gegner als auch Befürworter der Anwendung der 3G-Regel führen Argumente ins Feld, die sich – jedes für sich – hören lassen.
Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) positionieren sich in einer gemeinsamen Presseerklärung vom 12.10.2021 dahingehend, dass die 3G-Regel in Zahnarztpraxen keine Anwendung finden kann (Pressemitteilung vom 12.10.2021, abrufbar unter: https://www.kzbv.de/pressemitteilung-vom-12-10-2021.1532.de.html).
Unserer Auffassung nach dürften sich gesetzlich versicherte Patienten/innen, die ungeimpft, nicht genesen sind und sich nicht testen lassen, grundsätzlich nicht durch ihr Verhalten von der vertragszahnärztlichen Versorgung suspendieren.
Gegenüber stehen sich aktuell u.a. die Interessen der Zahnärzteschaft im Rahmen der Pandemieplanung der Praxis, die Einhaltung der Hygienevorschriften auch zur Vermeidung haftungsrechtlicher Weiterungen, dem auch arbeitsrechtlich zu verortendem Schutz ihre Mitarbeiter/innen sowie dem Schutz der unbeteiligten Patienten/innen sowie nicht zuletzt der eigenen körperlichen Integrität einerseits sowie der Rechtsanspruch der gesetzlich Versicherten auf zahnärztliche Behandlung andererseits. Dies unabhängig von der insoweit weitergehenden Fragestellung, inwieweit die Erfragung des Impfstatus als zulässig zu bewerten ist und wahrheitsgemäß durch den die zahnärztliche Behandlung Ersuchenden beantwortet werden muss.
Grundsätzlich steht die Frage im Raum, inwiefern die Zugangsbeschränkung in Umsetzung der 3G-Regel zur zahnärztlichen Versorgung ein Akt der Willkür darstellt, werden doch seitens einiger Berufsträger durchaus plausible Argumente gegen die Annahme willkürlichen Vorgehens ins Feld geführt. Auch der Vergleich zu der Anwendung der 3G-Regel bei bspw. körpernahen Dienstleistungen wird immer wieder im Rahmen der aktuellen Diskussion präsentiert, vermag aber im Ergebnis ebenso wenig wie das Argument, das Hausrecht des Praxisinhabers gewähre ein Recht auf Zugangsbeschränkung, nicht zu überzeugen.
Die zahnmedizinische Behandlung gehört (anders als die körpernahe Dienstleistung wie Friseur / Wellnessanwendungen) zur Grundversorgung der Bevölkerung. Auch dies mag in der Bevölkerung unterschiedlich bewertet werden, ändert aber nichts an der diesseitigen rechtlichen Würdigung, dass der Wunsch nach einer Zugangsbeschränkung über die 3G-Regel mit dem Rechtsanspruch der gesetzlich Versicherten auf uneingeschränkten Zugang zur zahnärztlichen Behandlung kollidieren dürfte. Für privat versicherte Patienten/innen mag dies mit Blick auf die grundsätzlich herrschende Vertragsfreiheit und damit einhergehend der Freiheit der Parteien zu entscheiden, ob sie einen Behandlungsvertrag nach § 630a BGB miteinander eingehen wollen, anders zu bewerten sein.
Gemäß § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Norm begründet einen Anspruch dem Grunde nach für die in der GKV Versicherten auf Krankenbehandlung und damit einen Rechtsanspruch iSd § 38 SGB I.
Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB V die zahnärztliche Behandlung. Gemäß § 28 Abs. 2 S. 1 SGB V umfasst diese die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden.
Die aktuell vermehrt gestellte Frage, ob Vertragszahnärzte die Behandlung der Patienten/innen in konsequenter Umsetzung der 3G-Regel ablehnen dürfe, ist mit Blick aufsteigende Infektionszahlen nachvollziehbar, nach der aktuellen Rechtslage aber zu verneinen. So regelt § 8 Abs. 6 S. 1 BMV-Z, dass der Vertragszahnarzt die Behandlung eine/s Patienten/in nur in begründeten Fällen ablehnen darf. Dies wird (abgesehen von Fällen, in denen der Patient sich in einem akuten Zustand befindet) angenommen bspw. bei einer Überlastung des Zahnarztes und bei einer Störung des Vertrauensverhältnisses.
Eine Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Zahnarzt und Patient, die eine Behandlung unzumutbar erscheinen lässt, wird bspw. u.a. diskutiert in Fällen von Beleidigungen oder wenn dem Zahnarzt ohne plausiblen Grund behandlungsfehlerhaftes Vorgehen vorgeworfen wird. Die Beispiele zeigen, dass es gerade um eine Einzelfallbetrachtung geht; es müssen im konkreten Einzelfall Gründe vorliegen, die das konkrete Vertrauensverhältnis zwischen Zahnarzt und Patient betreffen. Wenn man aber auf das konkrete Vertrauensverhältnis und dessen Beschaffenheit im Einzelfall abstellt, dürfte es nicht ausreichend sein, ein Kollektiv abzulehnen, das nicht geimpft, genesen oder getestet ist, von ihrem unbedingten Recht auf ärztliche Behandlung auszuschließen. Solange es keine Impfpflicht gibt, übt ein/e Patient/in, der/die sich nicht impfen oder testen lässt und nicht genesen ist, die ihm/ihr zustehenden Rechte in wohl zulässiger Weise aus.
Unsere Empfehlung geht aktuell dahin, gesetzlich versicherte Patienten/innen nicht von der zahnmedizinischen Versorgung mittels konsequenter Umsetzung der 3G-Regel auszuschließen, sondern stattdessen bestimmte Praxiszeiten anzubieten. Dies nicht mit dem Ziel einer Sanktionierung, sondern vielmehr mit dem Ziel, Kontaktreduzierungen zum Schutz anderer Patienten/innen zu erreichen und Hygienekonzepte im Rahmen der Pandemiebekämpfung umzusetzen.
Autor(en): RAin Beyer, LL.M.; RA Dr. Schlegel