Qualitätsmanagement – gutes QM nützt mehr als Sie glauben!
QM ist vorgeschrieben – aber, wer nimmt es wirklich ernst? Oder: es gibt Richtlinien der Spitzenverbände der GKV sowie der Zahnärzteschaft – und, wer kennt die wirklich? Noch ein Beispiel: es gibt Leitlinien der DGZMK zur korrekten Therapie nach aktuellem Wissensstand – und nicht wenige Zahnärzte kennen diese nicht. Die tägliche Routine ist es, die alles erstickt, das bleibt nicht viel außerhalb übrig. Die Zuwendung zum Patienten ist es, die den Zahnarzt antreibt, und da macht man eben, was man gelernt hat und worauf man vertrauen kann – Änderungen werden nur zögerlich umgesetzt. „Das haben wir immer schon so gemacht“, das ist es, was man zu hören bekommt, fragt man mal nach, weshalb eine Therapieentscheidung so und nicht anders ausgefallen ist.
Nun ist es aber so, dass der Zahnarzt als Angehöriger des Gesundheitswesens einer besonderen Verantwortlichkeit unterliegt. Er/sie ist, so schreibt es das Gesetz vor, einer „evidence based medicine“ verpflichtet, das heißt, er/sie darf nicht „nach Erfahrung“, sondern ausschließlich nach objektiven Gesichtspunkten entscheiden. Dazu gehört dann natürlich eine umfassende Befundung, daraus folgend die Diagnose und anschließend eine im Beratungsgespräch mit dem Patienten gefundene Therapie, die (siehe oben) objektiven Kriterien folgen muss. Patientenwünsche dürfen nur insoweit berücksichtigt werden als sie nicht den Grundsätzen einer EBM widersprechen. Nun gibt es eine große Grauzone zwischen Patientenwunsch und den Richtlinien der GKV – oder gar der GOZ. Patientenwünsche sind dann zwar immer noch zu berücksichtigen, wenn sie den Prinzipien der EBM nicht widersprechen, sie dürfen jedoch häufig nicht gegenüber der GKV abgerechnet werden, und auch nach GOZ kann es zu Erstattungsproblemen kommen.
Bei dieser Gemengelage ist die Dokumentation von enormer Wichtigkeit – der BGH hat die Beratung als elementar angesehen, und die unteren Gerichte (z.B. OLG Hamm, I-3 U 205/10 vom 30 März 2011) rücken von der Maximalforderung nicht ab, auch seltene Risiken zu besprechen (und dies muss man ja auch nachweisen können!). Wenn schon über jedes noch so kleine Risiko aufgeklärt werden muss, kann man sich vorstellen, wie wichtig auch die Information zu allen möglichen Therapievarianten ist.
Das Risiko ist überschaubar, wird man meinen, weil, dass Patienten gleich vor Gericht ziehen, das kommt ja nicht so oft vor. Erstens stimmt diese Annahme schon mal nicht, weil die Klagefreudigkeit mit der Verbreitung der Rechtsschutzversicherungen enorm zugenommen hat – erschwerend kommt hinzu, dass die Kostenerstatter (Privatversicherungen und GKV) zwischenzeitlich Prüfnetze aufgebaut haben, in denen man sich trefflich verfangen kann.
Beispiel GKV – im Sozialgesetzbuch (SGB V) ist festgelegt, dass neben Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach „Auffälligkeit“ auch nach Zufallsprinzip ausgewählte Praxen geprüft werden. Ist die Auffälligkeitsprüfung oft nach statistischen Vorgaben angesetzt (Überschreitung des Landesdurchschnitts) so ist die Stichprobenprüfung in der Regel als Einzelfallprüfung angelegt. Nachdem die Einrichtung der Prüfstellen mit festangestellten Prüfern mittlerweile etabliert ist hat der Zahnarzt aktuell an zwei Fronten zu kämpfen: er/sie muss möglichst unauffällig im Landesdurchschnitt tätig sein und gleichzeitig kann er/sie nie sicher sein, dass nicht eine Stichprobenprüfung angesetzt wird.
Die Einzelfallprüfung hat es nun besonders in sich. Wonach wird da geprüft? Zuerst einmal wird überprüft, ob nach den Richtlinien behandelt worden ist. Da fällt schon eine ganze Menge an Abweichungen auf: so eine Prüfung auf RiLi-gemäße Abläufe hat rasch Größenordnungen von 50 000 € Regressandrohung zur Folge. Wie solche Summen zusammenkommen? Wenn ein Quartal geprüft wurde mit relativ wenig Fällen (meist sind es so 20 bis 30) und sich Auffälligkeiten ergeben haben, dann legen die Prüfstellen nach und prüfen gleich mehrere Quartale, und dann mit Fallzahlen von 100 und mehr. Da wird dann hochgerechnet, weil ja jede Praxis ein System hat, und finden die Prüfer systematische Fehler, dann wird das für die gesamte Tätigkeit als üblich angenommen.
Nun haben die Prüfer ja mittlerweile reichlich Erfahrung und finden ganz rasch eine Systematik der Therapieabläufe, was dazu führt, dass die gesamte Praxistätigkeit ins Feuer gerät.
Nun darf man annehmen dass die Zahnärzte nicht unbedingt vorsätzlich falsch behandeln oder abrechnen. Nur, zum Damoklesschwert werden meist die ungenügende Dokumentation sowie die häufige Unkenntnis der Richtlinien. Daraus konstruieren die Prüfer dann ganz unkompliziert heftige Regresse, die in die Tausende bis Zehntausende gehen. Die Einlassungen der Prüflinge sind alle ähnlich: „ich habe korrekt behandelt, ich sehe keinen Grund zur Kürzung – und überhaupt, das haben meine Mitarbeiter falsch niedergeschrieben, ich mache das ja gar nicht“. Damit laufen sie generell gegen die Wand. Wir haben Fälle bekommen, da wurde ein Anwalt eingeschaltet, der den Prüfungen widersprochen hat – mit dem Ergebnis, dass im Rechtsstreit bis zum Sozialgericht nur Kosten zusätzlich aufgelaufen sind, ohne Erfolg. Alleine die Anwaltskosten gingen in die Tausende.
Das große Problem: nach dem Prüfbescheid ist die Regresssumme erst mal sofort fällig und wird im Normalfall mit der nächsten Honorarauszahlung verrechnet – der Zahnarzt kann eine Ratenzahlung bzw. Stundung beantragen, dies muss jedoch aktiv von Seiten des Zahnarztes eingeleitet werden. Der sofortige Vollzug der Honorarkürzung ist im SGB V vorgesehen und von den Gerichten bestätigt, daran ist nicht zu rütteln.
Aus solch einer Honorarkürzung kann ein echter finanzieller Engpass bzw. eine Liquiditätsklemme resultieren. Nehmen wir an, die nächste Abschlagszahlung fällt vollkommen weg – das reißt ein böses Loch in die Kalkulation. Schließlich sind die laufenden Kosten ja nicht zu stoppen.
Bei Anordnung einer Prüfung kann der Zahnarzt selbstverständlich Stellung beziehen. Bei der Auffälligkeitsprüfung (statistische Abweichung vom LD)hat die Praxis etwa vier Wochen Zeit eine „fachliche Stellungnahme“ abzugeben. Meistens kann man bei richtiger Argumentation dabei das Schlimmste abwenden, bis hin zur vollständigen Regressabwehr. Bei der Stichprobenprüfung (Einzelfallprüfung) gestaltet sich dies ungleich schwieriger. Hier werden im Vorfeld ausgesuchte Patientenunterlagen (Krankenblatt) angefordert. Schon die Vorbereitung ist eine große Belastung – immerhin ist es ja nicht ganz einfach, z.B. 50 Patientenfälle eines bestimmten Quartals herauszusuchen. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Praxen eine Art doppelte Buchführung haben: die Abrechnungsdaten werden in die EDV eingegeben, medizinische Aufzeichnungen hingegen als schriftliche Notizen geführt. Es ist ja auch nicht ganz einfach, alles, was zu dokumentieren ist, in die EDV einzugeben.
Bei Anforderung der Unterlagen durch die Prüfstelle (Kartei, Röntgenbilder) werden dann die Mitarbeiter beauftragt die Unterlagen zusammenzustellen. Dabei wird nicht selten nur die Abrechnungsdatei zusammen mit den Röntgenbildern bereitgestellt, ohne die zusätzlichen Notizen. Noch schlimmer wäre es wenn gar keine medizinischen Aufzeichnungen existieren, denn dann ist die Honorarkürzung unabwendbar.
Das normale Procedere ist dann dass der Zahnarzt zusammen mit seinen Unterlagen vor der Prüfkommission – man kann auch sagen: vor dem Tribunal – Rede und Antwort stehen muss. Die Situation ist denkbar unangenehm: da sitzen bis zu fünf Prüfer gegenüber, der Zahnarzt ist ganz alleine. Dies ist schon aus psychologischer Sicht ungünstig. Der Zahnarzt darf zwar einen Beistand mitbringen – das kann ein Anwalt oder ein Kollege sein -, dies wäre jedoch mit erheblichen zusätzlichen Kosten verbunden. Beim Anwalt jedenfalls wird man keinen großen Nutzen finden, da es ja um Fragen zahnärztlichen Inhalts geht, und den kennt ein Jurist normalerweise nicht, es sei denn, er wäre auch noch nebenbei selbst Zahnheilkundler. Der Kollege könnte zwar helfen – nur, wer schafft es, einen halben Tag (so lange dauert so eine Sitzung mindestens) einfach von seiner Praxis wegzubleiben? Immerhin wird die Zahnarztstunde nach Kammerberechnung mit 300 € angesetzt.
Also steht bzw. sitzt der Zahnarzt vor dem Prüfgremium, und dann prasseln von allen Seiten Fragen auf ihn ein. Da kann man noch so gut präpariert sein – alleine die massive Überzahl die einem gegenübersitzt lässt eine gezielte Verteidigung nicht zu.
Da ist es vermutlich besser, sich dem „Prüfungsgespräch“ zu verweigern (das darf man!) und einen schriftlichen Bericht anzufordern bzw. abzuwarten. Auf die Fragen der Prüfergebnisse kann man dann gezielt Antworten ausarbeiten.
Nun kann man nicht nachbessern – denn, jede nachträgliche Eintragung wird als strafbare Urkundenfälschung ausgelegt. Dies beruht auf der juristischen Definition der Aufzeichnungen im Krankenblatt – ein Krankenblatt ist ein wichtiges Beweisstück (dies gilt für beide Seiten), das nicht manipuliert werden darf. Ein Vortrag vor der Prüfkommission rein aus dem Gedächtnis scheint unrealistisch – man braucht Aufzeichnungen. Die dürfen, so höchstrichterliche Erkenntnis, in Kürzeln o.ä. abgefasst sein, sie müssen jedoch vollständig und vor allem für den Zahnarzt leserlich abgefasst werden. Für die Prüfung muss dann, so die Verwaltungsvorschrift, eine Auflösung der Kürzel erfolgen, damit die Prüfer die Eintragungen nachvollziehen können.
Seitens der Zahnärzte wird dabei stets argumentiert, es sei kaum zu schaffen alles aufzuschreiben, wobei objektiv erschwerend hinzukommt, dass man durchaus in der Hektik etwas vergessen kann. Alleine die Bearbeitung des Aufklärungsgesprächs (alle Risiken tatsächlich besprochen? Dies muss, so der BGH, der Zahnarzt persönlich leisten!) ist in der geforderten Präzision extrem schwierig ohne Hilfsmittel.
Und hier kommt nun ein effektives QM-System zum Tragen: wenn die Informationen in Form von Info-Blättern vorgehalten werden und in einem Beratungsformular individuell die Infos vermerkt werden, die für den speziellen Fall erforderlich sind, dazu eine kurze handschriftliche Ergänzung eingetragen wird und man den Patienten das Ganze unterzeichnen lässt, dann ist man auf der sicheren Seite. Eine solche Systematik verhindert auch weitgehend, dass wichtige Teilaspekte vergessen werden.
Ähnlich systematisch sollte die gesamte Therapie ebenso wie die dazugehörige Dokumentation organisiert werden. Die Prüfer finden nämlich stets die gleichen Fehler, in loser Reihenfolge ohne Anspruch auf Vollständigkeit hier einmal wiedergegeben:
Bei den Nummern BEMA 105 und 106: ungenügende Dokumentation (Zahnangabe fehlt, Präparatename fehlt, Maßnahme nicht angegeben – z.B. Tascheninstaillation, oberflächlich aufgetragen, o.ä.).
PAR-Therapie:
Keine Vorbehandlung dokumentiert, PSI unvollständig erfasst bzw. dokumentiert, PAR-chirurgische Maßnahmen nicht korrekt dokumentiert (z.B. Kürettage, offen oder geschlossen, Lappen-Op, etc.), fehlerhafte Dokumentation der Anästhesie (ohne Anästhesie keine PAR), Terminierung fehlerhaft (Rö-Befund erst nach PAR-Antrag, Behandlung vor PAR-Antrag begonnen, fehlerhafter Recall – nicht leitliniengemäß, keine Angaben dokumentiert, was gemacht wurde, etc.)
Prothetik:
ZE ohne vorausgehende dokumentierte PAR, keine Gesamtplanung dokumentiert (kons. Versorgung – PAR – ZE, in der Reihenfolge), Extraktionen für ZE nicht begründet bzw. nicht korrekt dokumentiert, ZE-Planung ungenügend – bei der Einreichung eines HKP wird das nicht geprüft, das kommt bei der Nachprüfung)
Röntgenleistungen:
Nicht alle erkennbaren Befunde dokumentiert, Mehrfachröntgen nicht begründet, usw.
Was für Folgen das haben kann? Eine bloße falsche Datumsangabe (Rö erst nach PAR-Plan) führt dazu, dass die gesamte PAR gestrichen wird. Oder, wenn auf den Röntgenbildern erkennbar ist dass eine PAR vorliegt, jedoch ohne Vorbehandlung ZE angefertigt wurde, wird ZE gestrichen. PAR ohne Vorbehandlung? Komplett alle Leistungen werden in Regress genommen.
Dieses Ungemach kann man nur vermeiden, wenn eine lückenlose den Vorschriften entsprechende Dokumentation gewährleistet ist. Dabei kann man sich viel Aufwand ersparen, wenn die Behandlungsabläufe systematisiert und in QM-Protokollen dokumentiert werden, dann werden Fehler schon im Vorfeld leichter vermieden. Und, nicht zu vergessen: man kann im Krankenblatt auf das QM-Protokoll verweisen! Nur dann, wenn es eine Abweichung gegeben hat, ist dann noch die zusätzliche Aufzeichnung erforderlich. Solche QM-Protokolle sind für die Mitarbeiter sehr hilfreich, denn wenn step-by-step eine Liste abgearbeitet wird schleichen sich eben weniger Fehler ein. Beispiel: ohne abgearbeitete Vorbehandlung kann keine PAR beantragt werden, und ohne Rö vorher auch nicht – diese Schritte müssen erst in der Liste abgehakt sein. Das lässt sich beliebig weiterspinnen – ein brauchbares QM muss so aufgebaut sein, sonst nützt es nicht. Dabei kann man das QM-Protokoll unschwer bei Bedarf anpassen, z.B. wenn man eine anderes Präparat einführt (auch die üblichen in der Praxis gebrauchten Produkte müssen dokumentiert sein, dann muss man das nicht mehr in der Karteikarte eintragen).
So kann man unschwer Schaden schon im Vorfeld abwenden.
Was der Schaden anrichten kann, dazu mehr in der nächsten Ausgabe.
((Darstellung der Folgen des Honorarregresses bis hin zur Insolvenz, dargestellt an echten Beispielen))